Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

Familie und Erziehung

Meine Mutter mischt sich immer ein – was tun?

Wer darunter leidet, wenn sich die Mutter immer einmischt, konsequent Grenzen ziehen. Und Mama nicht im nächsten Moment wieder um Hilfe bitten.

Karriere, Kleidungsstil oder Kindererziehung: Beas Mutter mischt sich ständig ein. Ungefragt liefert sie Rat, macht Hilfsangebote und gibt Kommentare ab. Und wenn Bea das zurückweist, ist Mama verletzt. Sie will am Leben ihres Kindes teilnehmen. Das alte Gefühl der Verbundenheit, des Gebrauchtwerdens aufrechterhalten, das die Beziehung früher prägte. Dieses Gefühl gab ihr einen Wert, schenkte ihr Geborgenheit. Das einzige Problem: Die Tochter ist seit Jahren erwachsen.

Wenn Bea das Mitmischen der Mutter vermeiden will, muss sie ihr gegenüber klare Grenzen setzen. Diese Grenzen sind zu vage, wenn Bea etwa heute Mamas Rat zurückweist, sich aber morgen an ihrer Schulter ausweint. Oder wenn sie heute ihre Unabhängigkeit erklärt, sich aber morgen von ihr Geld geben lässt. Wer der Mutter immer wieder zeigt, dass er sie eben doch braucht, muss sich nicht wundern, wenn sie sich einmischt.

Helfen ohne Erwartungen

Dabei ist gar nichts daran auszusetzen, wenn die Tochter die Mutter braucht – oder umgekehrt. Unterstützung in der Familie kann etwas vom Schönsten und Wichtigsten im Leben sein. Voraussetzung ist aber, dass die Hilfe nicht an Erwartungen oder Bedingungen gekoppelt wird. Möglicherweise muss Beas Mutter hier selbstkritisch über die Bücher.

Doch auch Bea sollte an sich arbeiten und lernen, zu sich selbst zu stehen. Als Erwachsene ist sie der Mutter keinen Gehorsam schuldig, egal, was Mama für sie tut.

Ich bin anders als du mich gern sehen würdest

Nur eins muss Bea tun: sich selbst treu bleiben. Sonst kämpft sie gegen sich und wird depressiv. Bea muss ihrer Mutter gegenüber zu ihrem Stil, ihrem Weg und ihren Fehlern stehen. Die selbstbewusste Erkenntnis durchgeben: «Ich bin ich, und ich bin nicht schlechter, als du mich gern sehen würdest – nur anders.»

Damit zieht sie die wichtigste Grenze zur Mutter: die persönliche Grenze, die Ich-Grenze. Wenn diese Grenze klar gesetzt ist, kann sie auch nicht mehr so leicht verletzt werden, und die Worte der Mutter müssen nicht mehr kalt abgewiesen oder blind befolgt, sondern können souverän abgewogen werden.

Der Nachwuchs muss Fehler machen dürfen

Wenn Bea selbstsicher und konsequent ihre Linie durchgibt, muss sich Mama ganz allmählich daran gewöhnen. Denn die Mutter-Tochter-Beziehung lässt sich nicht zerstören. Aber sie lässt sich verändern. Bea muss der Mutter auch klar machen, dass die Liebe nicht aufhört, nur weil sie als Tochter eigenständig ist. Sie muss ihr auch klar machen, dass eigenständig sein heissen kann, dass sie stolpert und Fehler macht. Und dass Fehler wichtig sind. Denn nur so lernt der Mensch.

Durch ihr Einmischen versucht die Mutter ja nicht zuletzt, «ihr Kind» vor Fehlern zu bewahren. Weil sie das Beste für Bea will. Doch sie muss lernen auszuhalten, dass das Beste sich nicht immer gut anfühlt: Jeder Mensch muss auf dem Weg, ein reifer, glücklicher Mensch zu werden, auch ein bisschen leiden. Wenn auch Bea der Mama klar macht, dass das so gut ist, kann Mama besser loslassen – und sich wieder sich selbst zuwenden. Denn sie ist nicht für Beas Glück verantwortlich. Nur für ihr eigenes.

Tipps zur Abgrenzung von sich einmischenden Müttern