Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

Beziehungstipps

Beziehung: Wie gehe ich mit Verlustangst um?

Wenn dir selbst bei einer kurzen Trennung vom Partner angst und bange wird, ist es an der Zeit, dass du eigenständiger wirst.

Es ist verhext: Maja hat in Jan endlich einen Mann gefunden, der sie wirklich liebt und der sie auch so behandelt. Und nun leidet sie ständig unter der Angst, dass ihm etwas passieren könnte. Es ist, als hinge da eine dunkle Wolke am Horizont, die ihr das Glück vereitlen möchte.

Wenn die Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren, derart überhand nimmt, obwohl kein Anlass dazu besteht, dann lohnt es sich, ein wenig in der Vergangenheit zu graben. Denn solche schwer nachvollziehbaren Angstgefühle finden ihre Ursache oft in frühester Kindheit.

Vertrauen macht mutig

In den ersten Lebensmonaten ist ein Kind völlig von der Mutter abhängig. Doch schon bald beginnt es, die Welt zu erforschen, und macht seine ersten Schritte in die Unabhängigkeit. Seine Schritte sind umso mutiger, je grösser sein Vertrauen darin ist, dass Mama und Papa immer noch für es da sind, wenn es zurückkommt.

Dieses Urvertrauen kann sich nicht richtig entwickeln, wenn die Eltern ihre Liebe zum Kind an Bedingungen knüpfen, wenn sie es vernachlässigen, seine Bedürfnisse missachten oder seine Freiheitsgelüste missbilligen. In einem solchen «unsicheren» Umfeld kommt das Kind zu Schlüssen wie «Meine Lust, ein eigener Mensch zu werden, wird mit Liebesentzug bestraft», «Mir steht keine bedingungslose Liebe zu» und «Ich darf der Liebe anderer Menschen nicht trauen».

Derart angsterfüllte Leitsätze begleiten viele Menschen bis ins Erwachsenenalter und prägenihre Beziehungen. Manche haben Angst, überhaupt Partnerschaften einzugehen, andere, wie Maja, klammern sich an ihre Partner, aus Angst, sie zu verlieren. Majas Angst ist dann am grössten, wenn sie nicht mit Jan zusammen ist. Hier lebt ein uraltes Gefühl auf: das mangelnde Urvertauen der kleinen Maja und ihre Angst, dass die Eltern nach einer Trennung nicht mehr für sie da sind.

Aus ihrer Angst heraus sehnt sich Maja in der Beziehung mit Jan nach Verschmelzung, der völligen gegenseitigen Abhängigkeit. Am liebsten wäre sie nie von ihm getrennt. In ihrer Befürchtung, dass Jan nach einer Trennung «nicht mehr da sein wird», spielt die Angst mit, dass er ein von ihr unabhängiger Mensch wird, und dass die Verschmelzung mit ihm deswegen nicht mehr möglich ist.

Eigene Interessen entwickeln

Aus dem gleichen Grund hat sie Angst davor, selbst ein von Jan unabhängiger, eigenständiger Mensch zu sein. Doch genau diese Eigenständigkeit ist das Rezept gegen ihre Verlustangst: Je weniger sie mit Jan «verschmilzt», je mehr «Eigenes» sie hat – eigene Interessen, eigene Aktivitäten, eigene Freunde –, desto mehr wächst in ihr das Vertrauen, dass sie notfalls auch ohne Jan überleben könnte. Und je mehr sie sich Trennungen von Jan aussetzt, desto grösser wird auch ihr Vertrauen, dass er danach immer noch für sie da sein wird. Sie lernt, dass Eigenständigkeit keine Gefahr ist, sondern das Feuer, das Bewegung und Leben in die Beziehung bringt.

Denn Eigenständigkeit bedeutet Selbstfindung – welch bessere Voraussetzung gibt es für eine glückliche Beziehung? Verschmelzung hingegen bedeutet auf die Dauer Selbstverlust. Und vor genau diesem Verlust sollte jeder Mensch Angst haben.

Tipps gegen Verlustangst

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