Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

09.02.2006

Schlecht gelaunt – na und?

Wer miese Laune hat, sollte andere darüber aufklären, anstatt deren Stimmung zu verderben. Und oft geht es ihm selbst danach besser.

Stellen Sie sich eine Znachteinladung vor. Ein Gast hat schlechte, wirklich schlechte Stimmung. Er kaut an einem massiven Ehezwist herum. Er ist bei der Arbeit völlig überfordert. Er verzweifelt schier ob seiner Schlaflosigkeit. Oder wälzt irgendein anderes Problem. Da er die Stimmung der anderen nicht verderben will, reisst er sich zusammen und setzt eine fröhliche Miene auf.

Wer sich zusammenreisst, unterdrückt seine Gefühle. Das ist für Körper und Gehirn sehr anstrengend, wie Forscher an der Stanford University, Kalifornien, herausfanden. Man fühlt sich schlechter. Es stresst einen, dass man nicht «echt» ist. Man sieht sich nicht als Teil der Gruppe und entwickelt möglicherweise gar einen Groll auf die anderen mit ihrer guten Laune.

Das wahre Gesicht

Je länger der Abend – und je höher der Alkoholpegel –, desto wahrscheinlicher ist es, dass die negativen Gefühle durchsickern. Den anderen erscheint der verstimmte Gast dann als gelangweilt, abweisend oder gar aggressiv. Und vielleicht erleben sie sogar einen Zusammenbruch oder eine Explosion. Das nehmen sie persönlich. Sie wissen ja nicht, was ihn wirklich beschäftigt. So verdirbt er ihnen tatsächlich die Stimmung.

Das lässt sich vermeiden. Jedes schlechte Gefühl hat einen ernst zu nehmenden Auslöser. Das Unterdrücken gelingt daher besser, wenn man es nur kurzfristig tut und wenn der wahren Stimmung zu einem anderen Zeitpunkt Raum gelassen wird. Wer beim Partner oder bei Freunden Dampf ablässt und über sein Problem redet, dem gelingt es auch besser, in einer formelleren Situation eine fröhliche Miene aufzusetzen.

Falls die oben erwähnte Einladung im trauten Kreis stattfindet, fährt der verstimmte Gast am besten, wenn er die anderen über seine Laune und ihre Gründe aufklärt: «Ich bin heute etwas bedrückt, ich hab Ärger bei der Arbeit.» Die Gruppe wird nachfragen und Ratschläge geben. Diese sollte er nicht mit heroischen Sätzen wie «Ich muss da allein durch» abblocken. Die anderen würden sich hilflos und abgewiesen fühlen – und ihm das übel nehmen. Wenn er sich indes öffnet und die Tipps dankend annimmt, fühlen sie sich bestätigt und nehmen ihn in der Gruppe auf.

Das Thema wechseln

Wichtig für das Gruppengefühl ist auch, dass ein Gleichgewicht herrscht. Damit sein Problem den Abend nicht dominiert, sollte der Verstimmte das Gespräch nach einem Weilchen weiterleiten: «Danke, ihr habt mir echt geholfen. Jetzt, Ruedi, erzähl doch mal von deinen Ferien.» Er wird merken, dass es ihm wirklich besser geht. Denn er muss sich nicht verstellen, und seine ernst genommenen, schlechten Gefühle treten bereitwilliger in den Hintergrund.

Er wird offen, sich von der guten Stimmung anstecken lassen und Distanz zu seiner Situation gewinnen. Und am Schluss des Abends sieht er sie vielleicht in einem anderen, positiveren Licht. Die Forscher in Stanford nennen das «gedankliche Neubewertung». Ihre Untersuchungen zeigen, dass dies die wesentlich gesündere Strategie ist, mit einer schwierigen, verstörenden Situation umzugehen als das Unterdrücken der schlechten Gefühle.

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