Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie
02.02.2006
Fremde Kinder können ziemlich nerven. Mischen Sie sich jedoch nicht in die Erziehungsmethoden ein, sondern lösen Sie das konkrete Problem.
Ferien! Man lässt sich aufs Hotelbett plumpsen und schaltet auf Entspannung um. Doch dann bezieht eine Familie das Nachbarzimmer. Und es ist, als fielen die Barbaren ein. Hilfe suchend wendet man sich an die Rezeption. Und anstatt wie erwartet Abhilfe zu schaffen, verweist der Manager auf die sinkenden Geburtenraten – schliesslich seien die lieben Kleinen die künftigen Rentenzahler – und appelliert an die Toleranz.
Nichts zu machen. Man hätte schlauer sein und ein ruhiges Zimmer reservieren sollen. Denn ob Hotel oder Restaurant: Das Management entscheidet, welcher kindliche Lärm- und Chaospegel in seinem Territorium geduldet wird. Die amerikanische Erziehungsberaterin Elizabeth Pantley sagt dazu kurz und knapp: «Mein Haus – meine Regeln». So viel zur Frage, wie sich ein Kind, das zu Gast ist, benehmen soll.
Mein Haus, meine Regeln
Wer sich also über Kinder aufregt, tut dies am besten bei den Verantwortlichen des Territoriums, in dem sich diese aufhalten. Je nach den dort geltenden Regeln werden die Autoritätspersonen mehr oder weniger unterstützend eingreifen. Grundsätzlich tun sie dies lieber, wenn man sich nicht beschwert, sondern klare Bedürfnisse äussert. Also nicht, indem man enerviert aufschreit: «Diese Gören sind eine Zumutung!», sondern etwa freundlich um einen ruhigeren Tisch bittet.
Was aber gilt nun an öffentlichen Orten, wie etwa in Zügen? Wer hat hier das Sagen? Die Eltern, und nur sie. Was tun also, wenn ein kleiner Junge unaufhörlich im Korridor auf und ab rennt und mit den Abfallbehälterdeckeln Konzerte veranstaltet? Meist versucht man, im Guten den Störenfried zu bändigen. Mit Ablenkmanövern, mit Bitten, mit mahnenden Blicken. Oft vergebens. Schliesslich wendet man sich an die Eltern mit der Bitte, ob es möglich wäre, dass ... Doch man wird unterbrochen: Da könne man nichts machen. Der Kleine sei halt lebhaft, um diese Tageszeit sowieso.
Individuelle Messlatten
Die Reaktion zeigt: Eltern lassen sich nicht gern von Fremden belehren. Fremde, die, wohlgemerkt, nichts über das Wesen und die Lebenssituation ihres Kindes wissen und die selbst vielleicht einen komplett anderen Erziehungsstil pflegen. «Was uns selbst wichtig ist, ist anderen Eltern nicht unbedingt auch wichtig», sagt Erziehungsberaterin Pantley. Und rät im Umgang mit fremden Kindern: «Bleiben Sie bei der betreffenden Situation. Und finden Sie eine Lösung für diese und nur für diese Situation.»
Das Problem ist ja meist ganz konkret: Es geht um Lärm, um Dreck, um aggressives Verhalten. Die Lösung ist dementsprechend einfach: Man kann seinen Sitzplatz oder den Ort wechseln. Ohrenstöpsel einsetzen. Seine Sachen schützen. Denn der Punkt ist nicht, dass die anderen Eltern ihr Kind nicht besser zu erziehen im Stande sind. Selbst wenn das tatsächlich der Fall wäre, es ist ihr Problem, nicht unseres. Und sollte man einmal nahe dran sein, die Nerven zu verlieren, rät Pantley, im Geiste folgenden Satz zu wiederholen: «Es sind nicht meine Kinder.» Und darüber dankbar zu sein, dass sies nicht sind.