Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

22.12.2005 1

Schenken Sie einander Zeit

Liebe und Leidenschaft flauen in langjährigen Beziehungen oft ab. Dabei wirken kleine Aufmerksamkeiten und gemeinsame Zeit Wunder.

Aufgeregt erwartete sie sein Läuten, klopfenden Herzens überreichte er ihr eine weisse Lilie. Sie bewunderte seinen guten Kleidungsstil, er wird beim Duft ihres Parfüms schwach. Bei Kerzenlicht kokettieren sie mit den Blicken, und es knistert heftig zwischen den beiden. Das war früher. Heute begrüssen sie einander mit einem beiläufigen Schmützli. Seinen schicken Anzug trägt er nur bei Geschäftsreisen, und sie läuft zu Hause am liebsten im Trainer herum. Die Abende zu zweit verbringen sie vor dem Fernseher. Das ist eben so, nach 15 Jahren, denken sie sich, und träumen heimlich vom Märchenprinzen und von der Sekretärin.

Die Gefahr der Routine

Leidenschaft liebt das Neue, das Unvorhersehbare, das Besondere. Am Anfang war das gegeben. Jetzt herrschen Gewohnheit und Routine. «Seine Schuld», findet sie. «Ihre Schuld», denkt er. Beide haben Recht. Statt einander Vorwürfe zu machen – und damit alle Leidenschaft im Keim zu ersticken – könnten sie ein bisschen Neues, Unvorhersehbares in ihre Beziehung zurückbringen. Liebe ist wie Feuer: Zu Anfang funkts wie wild, mit der Zeit beruhigt es sich. Zum Glück, denn immer lodernde Leidenschaft ist Dauerstress für Herz und Nerven. Ein sprühender Funke von Zeit zu Zeit indes kann äusserst reizvoll sein.

«Zieh dir heute Abend was Schönes an», sagt er etwa mitten im Januarloch und überrascht sie mit zwei Konzerttickets. Sie steckt ihm am Verlobungstag ein Couvert unters Kissen: ein Wellness-Weekend zu zweit. Zu Weihnachten schenken die beiden einander einen Kurs «Partnermassage». Und an Silvester fassen sie den Vorsatz, einen Babysitter zu suchen und jeden zweiten Samstag zusammen auszugehen.

Was tun die beiden? Sie schenken einander Zeit. Zeit, die sie nicht nebeneinander verleben, sondern miteinander erleben. Zeit für Besonderes, Neues, nicht Alltägliches – für kleine Funken eben, die ihnen in gemeinsamer Erinnerung bleiben werden. Davon zehrt die Liebe.

Die Funken allein tuns nicht.

Seien Sie aktiv statt passiv

Liebesfeuer bleibt nur am Leben, wenn es regelmässig mit gutem Holz genährt wird. Gutes Holz ist alles, was zwei Menschen verbindet. Etwa miteinander zu reden und aufeinander einzugehen. Oder gemeinsam Dinge zu tun – spazieren, wandern, tanzen, golfen, jassen, ein Hobby teilen, zu zweit schöne Orte bereisen. All das stärkt die Verbindung, denn wer aktiv etwas tut, ist wach und empfänglich. Fernsehabende eignen sich nicht so sehr, weil man da in der Regel recht passiv ist.

Beides – das regelmässige Füttern des Liebesfeuers und das gelegentliche Aufpeppen mit feurigen Funken – sollte im Haushaltsbudget und im Terminkalender Platz haben. Auch die Sparsamsten und die Vielbeschäftigtsten können sich das leisten. Schon kleine Dinge bewirken viel: Eine liebevolle Notiz, am Steuerrad angebracht, oder ein ans Bett servierter Kaffee. Seis, dass die beiden sich Zeit nehmen, einander anzusehen, und immer mal wieder ein Kompliment fallen zu lassen. Seis, dass sie nur mal fünf Minuten lang alles liegen lassen und einander in die Arme nehmen. Das ist viel mehr wert als jeder Fernsehabend zu zweit.

Ergreifen Sie die Initiative