Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

24.11.2005 7

Wers besser weiss, schweigt

Wer vor anderen grosse Reden schwingt, überspielt bloss seine Unsicherheit. Und macht sich unbeliebt. Ein Verhaltenstraining für Besserwisser.

«Was ich sage, ist am besten und wichtigsten.» Das ist das Motto des Besserwissers. Er lässt nur seine Meinung gelten und versucht das, was andere sagen, immer zu übertrumpfen. Max erklärt, wie man Lamm grilliert? Der Besserwisser kennt einen eleganteren Trick. Leo hat einen Börsentipp? Der Besserwisser tut den als von gestern ab. Hans erzählt von seiner Kreta-Reise? Der Besserwisser war garantiert auch schon auf Kreta – oder auf einer noch schöneren Insel. So schneidet er Max, Leo und Hans das Wort ab, um sie mit seinen wertvollen Tipps, seinem überlegenen Fachwissen und seinem reichen Erfahrungsschatz zu beglücken.

Beglücken? Denkste. Es beglückt niemanden, zu erfahren, dass er Falsches, Langweiliges oder Unzureichendes gesagt hat. Menschen beglückt, wenn man ihnen interessiert zuhört.

Suche nach Bestätigung

Das Zuhören freilich dient dem Besserwisser nur zum Aufschnappen von Häppchen, mit denen er den nächsten Monolog einleiten kann. Er hört nur sich selbst gern zu – ungeachtet dessen, ob sein Beitrag für das Gespräch von Belang ist und ob er versteht, wovon er redet. Ganz nach der Devise «Ich weiss mehr über deinen Job als du» wagt er sich weit in wildfremde Gebiete hinaus. So gebildet er sein mag, Einsteins Enkel ist er nicht – eher ein Stammgast in allerlei Fettnäpfchen. Man ertappt leichter, als er meint, den Blender in ihm.

Lästig ist das – und fast schon tragisch. Denn der Besserwisser dürstet nach nichts mehr als nach Ansehen und Anerkennung. Danach, im Mittelpunkt der Gruppe auf einem Podest zu stehen. Denn er fürchtet, unterzugehen oder ausgegrenzt zu werden. Mit seiner «Gescheitheit» will er zeigen, dass er unersetzbar ist. Manche drehen regelmässig so auf, andere nur in Stresssituationen. Immer widerspiegelt das Verhalten Unsicherheit und Selbstzweifel. Und ein überhöhtes Bedürfnis, von den anderen zu hören, wie gut man ist – weil mans selbst nicht glaubt. Doch die Bestätigung bleibt aus: Besserwisserisches Verhalten wird nicht geachtet, sondern geächtet.

Schweigen ist Gold

Die Taktik des Besserwissers ist also ein klarer Schuss nach hinten. Mit ein bisschen Übung kann er sich eine wesentlich erfolgreichere Taktik angewöhnen. Dabei hilft ihm ein neues Motto: «Wirklich weise ist, wer sein Wissen auch für sich behalten und damit leben kann, dass die anderen manches nicht so gut wissen.» Denn die wollens oft gar nicht besser wissen. Und es hilft ihm ein strenges Verhaltenstraining (siehe Tipps) im Akutfall. Jeder Mensch merkt, wenn der Besserwisser mit ihm durchgehen will. Dann nämlich, wenn er fast nicht warten kann, bis andere ausgeredet haben, und wenn er den Drang verspürt, sie zu unterbrechen, zu übertrumpfen und eines besseren zu belehren.

Das ist genau der Moment, in dem er tief durchatmen, auf hundert zählen und schweigen muss. Wahrscheinlich kommt dann Angst hoch. Unterzugehen. Oder, noch schlimmer: normales Mittelmass zu sein. Für den Besserwisser klingt das wie ein Fluch. Doch mit dem Gefühl muss er sich anfreunden. Denn das genau ist die Qualität, die ihn zum echten Mitglied einer Gruppe macht.

Training für Besserwisser