Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

10.11.2005 5

Glücklichsein ist lernbar

Wer schöne Momente bewusst schätzt und erkennt, dass ihn auch unbequeme Situationen weit bringen, lernt echtes Glück erkennen.

«Sind Sie glücklich?» Wer diese Frage mit Ja beantwortet, kann sich tatsächlich glücklich schätzen. Denn viele fühlen sich meistens nur mittelprächtig. Was müsste passieren, damit auch sie glücklich würden? «Ich möchte reich sein», meinen die einen, andere wünschen sich die Jugend zurück, wieder andere sehnen sich nach der Sonne Südkaliforniens. Und so weiter.

Wir alle meinen, das Geheimrezept zu kennen, das uns glücklich machen würde. Und nur die, die das haben, was wir nicht haben – die Reichen, die Jungen, die Südkalifornier –, wissen, dass wir uns damit etwas vormachen. Denn der, der etwas ständig hat, vergisst gern dessen Schönheit. Und nur wer das weniger Schöne kennt, kann das Schöne auch erkennen. Daher geniessen die dauerberieselten Nordengländer die Sonne viel mehr als die braun gebrannten Südkalifornier.

Schattenseiten akzeptieren

Jene Menschen, denen es schon einmal schlecht gegangen ist, erkennen ihr Glück eher. Manche tun sich schwer zu akzeptieren, dass zum Leben nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen gehören. Sie versuchen alles, was sich unangenehm anfühlt, zu vermeiden. Seis, dass sie immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen, seis, dass sie sich künstlich angenehme Gefühle verschaffen – die Palette der Hilfsmittel reicht von Schokolade über Nikotin und Alkohol bis hin zu Medikamenten und Drogen.

Wer wirklich glücklich werden will, vermeidet das Unangenehme nicht. Er richtet sein Handeln viel mehr danach aus, ob er sich dafür respektieren kann. Und so macht er manch gewagten, schwierigen oder schmerzvollen Schritt, der sich zwar kurzfristig nicht so gut anfühlt, ihm aber auf die Länge ein Gefühl der Selbstachtung und Selbstzufriedenheit schenkt. Sodass er mit gutem Gewissen sagen kann: «Ich bin glücklich mit mir.» Das ist das echte Glücklichsein – das nicht von Reichtum, Alter oder Wetter abhängt.

Das Glücklichsein wird also weder von aussen an uns herangetragen, noch ist es ein Geburtsrecht. Es ist eine Fähigkeit, die erlernt werden muss. Wer mit sich glücklich sein will, nimmt sein Leben selbst in die Hand. Dabei strebt er Ziele an, die für ihn erreichbar sind. Und grämt sich nicht über das, was er nicht haben kann, sondern geniesst das, was er hat. Dass das nicht einfach ist, erkannte auch die Schriftstellerin Pearl S. Buck: «Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das grosse vergebens warten.»

Ein kleines Stück Glück

Das kleine Glück ist nur dem – kurzfristig – abhanden gekommen, der wirklich in einer tiefen Krise steckt. Alle anderen können es tagtäglich erleben. Die Schauspielerin Ingrid Bergman sagte: «Die meisten Menschen sind unglücklich, weil sie, wenn sie glücklich sind, noch glücklicher werden wollen.» Glücklich sind die, die ihr Glück erkennen und anerkennen.

Darum sei allen, ob sie nun einen VW oder einen Rolls- Royce fahren, eine tägliche Besinnungsminute ans Herz gelegt. Nicht, um darüber zu grübeln, was morgen wohl sein wird, sondern um den Sternen, dem Schicksal, Gott oder ganz einfach sich selbst für das zu danken, was sie heute haben.

So machen sie sich glücklich