Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

11.08.2005 2

Wenn Oma mit erzieht

Wenn die Grossmutter ihre Enkel hütet, muss sie Mamas Erziehungsstil respektieren. Allerdings nicht in allen Belangen.

Tim quengelt: «Oma hat gesagt, ich darf «Sponge Bob» schauen!» Mama unterbricht: «Das interessiert mich nicht!» – «Aber Irène, lass ihn doch!», findet Oma. «Tim ist mein Kind! Halt dich da raus.» Raushalten? Kann Oma das? Ja und nein. Einerseits kann sie gar nicht vermeiden, dass sie Tim mit erzieht. Denn wer mit einem Kind Zeit verbringt und ihm etwas vorlebt, beeinflusst es und erzieht es somit. Andererseits kann Oma sich sehr wohl heraushalten, wenn es um Mamas Erziehungsprinzipien geht.

Die Konflikte um die Kindererziehung haben oft tiefere Gründe. Vielleicht versteckt sich dahinter Omas Wunsch, Mama zu managen. Oder Mamas alter Groll auf die eigene Mutter. Oder Omas Frust, weil Mama ihr den Sohn «weggenommen» hat. Oder ein Machtkampf um die Gunst des Kleinen. Die Oma-Mama-Beziehung bietet eine Menge an Konfliktstoff, der sich über die Kindererziehung austragen lässt. Das Kind kriegts mit und gerät in ein Gefühlsdilemma: Zuneigung zu Oma empfindet es als Verrat an Mama und umgekehrt.

Altes bereinigen

Oma und Mama sollten ihr Verhältnis unter die Lupe nehmen. Was sie miteinander bereinigen, müssen sie nicht an Tim ausleben. In einer entspannten Beziehung können sie sich besser über Erziehungsfragen unterhalten, ist Mama eher bereit, Omas Tipps anzunehmen – wenn sie will: Denn ihr bester Lehrmeister ist nicht Oma, sondern die eigene Erfahrung. Das muss Oma akzeptieren.

Auch wenn Mama und Oma beste Freundinnen sind, werden sie unterschiedliche Erziehungsstile haben. Damit sie sich nicht in die Quere geraten, sollten sie festlegen, wer wann das Sagen hat: Wenn Oma hütet, gilt, was Oma sagt. Wenn Tim bei ihr zu Hause ist, sowieso. Ansonsten gilt, was Mama sagt – auch wenn Oma zu Besuch ist. Grundregeln legen die Eltern fest; Oma hat sich daran zu halten. Etwa, ob ein Klaps auf den Po erlaubt ist, ab wann ein Kind aufs Töpfchen gesetzt wird oder ob es sich an feste Bettzeiten halten soll.

Spielraum lassen

In weniger grundsätzlichen Fragen sollte Mama gegenüber Omas Stil Toleranz walten lassen. «Was bei Oma passiert, ist o. k., solange es keine Nachwehen hat», lautet die Devise. Oma findet, das Spielen in Regenpfützen sei erlaubt. Bei Oma herrscht von eins bis drei Ruhezeit. Und bei Oma darf Tim «Sponge Bob» schauen. Wenn Tim verschiedene Erziehungsstile erlebt, ist das nur gut. Denn es fördert seine soziale Kompetenz. Er lernt, wie unterschiedlich Menschen ticken, und er lernt, sich darauf einzustellen.

Wichtig ist, dass Oma und Mama den Stil der anderen respektieren und dies Tim auch wissen lassen. Er lernt so, dass zwei Meinungen erlaubt sind, und gewöhnt sich demokratisches Denken an. «Bei Oma darfst du «Sponge Bob» anschauen, bei mir nicht», erklärt Mama Tim. Und Oma nickt: «Dafür darfst du bei Mama einen Höllenkrach machen!» Zwei verschiedene Menschen und doch ein Team: So profitieren alle drei Beteiligten am meisten.

Tipps für Omas und Mütter