Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie
30.06.2005
Viele Kinder gehen nicht gern ins Bett, weil sie Angst haben. Mit einem strikten Abendritual vermitteln Sie ihnen Sicherheit und Geborgenheit.
Abend für Abend das gleiche Theater: vom «Ich will nicht ins Bett gehen!» bis zum ständigen «Mami!»-Gerufe nach dem Lichterlöschen. Viele Eltern können hiervon ein Lied singen. Nicht Nicole: Deren Kinder, der siebenjährige Simon und die dreijährige Maria, gehen meist ohne Probleme ins Bett. Wie kriegt sie das hin? «Mein Mann und ich setzen fixe Grenzen und bieten den Kindern einen klar strukturierten Ablauf», meint sie. Das heisst: «Abendessen gibts um sieben. Und um halb neun ist das Licht aus. Immer. Ohne Fragen und ohne Kompromisse.»
Routine und Rituale
Eine feste Routine gibt den Kindern Sicherheit. Und die brauchen sie, am allermeisten in der Nacht. Jeder Abschied von den Eltern am Abend schürt die Angst vor dem Verlassenwerden. Allein werden sie in die Dunkelheit geschickt, wo unheimliche Geister lauern. Im Schlaf verlieren sie jegliche Kontrolle über sich und sind schutzlos Alpträumen ausgesetzt. Und was jedem Erwachsen sonnenklar ist, ist für manch Kleinen eine bange Frage: Geht die Sonne morgen auch tatsächlich wieder auf?
Diese Angst ist gekoppelt mit der Tatsache, dass Kinder häufig abends schlicht keine Lust haben, mit dem Spielen aufzuhören. Darum ist es besonders wichtig, dass sie etwas haben, worauf sie sich nach dem Ins-Bett-Gehen freuen können. «Wir schenken den Kindern dann eine halbe Stunde lang ungeteilte Aufmerksamkeit», sagt Nicole. «Simon kriegt vorgelesen. Mit Maria sehen wir Bilderbücher an und singen Lieder.» Diese Rituale sind der ganzen Familie heilig.
immer brennt zudem ein beruhigendes Nachtlicht. Und das Babyphon ist auch an. Damit die Kleinen wissen, dass die Eltern hören, wenn im Kinderzimmer etwas schief laufen sollte. Freilich taucht sie immer mal wieder auf, die Angst. Nie tun die Eltern sie als lächerlich oder unbegründet ab. Sie sprechen mit ihren Kindern darüber und helfen ihnen dabei, ihr einen Namen zu geben. Denn oft sind es die vagen Angstgefühle, die am schlimmsten sind.
Den Mut belohnen
Bei Simon half es auch schon, ihn für seine Tapferkeit zu belohnen. Eine Zeit lang rief er ständig nach seinen Eltern, weil er Angst vor Einbrechern hatte. Für jede Nacht, in der er dies nicht mehr als einmal tat, zeichnete Nicole ein lächelndes Gesicht auf ein Blatt Papier. Sobald dreissig Gesichter das Papier füllten, bekam er ein Geschenk. Morgens kontrollierte er zuallererst das Papier. «Er war total stolz über jedes neue Gesicht», sagt Nicole. Simons Stolz siegte über die Angst, und mit jedem neuen Gesicht wuchsen Sicherheit und Selbstvertrauen.
Als Notfalltröpfchen schliesslich – etwa nach einem Alptraum – erzählt Nicole die Geschichte eines Lichtleins, das irgendwo durch die Welt schwebt und auf der Suche nach einem Kind ist. Und dann landet es auf dem Kopf von Simon oder Maria und verströmt von dort Helligkeit und Wärme. «Ich kann nicht erklären wieso, aber diese Geschichte wirkt immer sehr beruhigend», meint Nicole. «Vielleicht gibt es das Licht ja wirklich. Und wir Erwachsenen sehen es einfach nicht.»
Halten Sie sich abends an feste Zeiten und einen festen Ablauf. Machen Sie keine Kompromisse. Je jünger das Kind ist, wenn Sie damit anfangen, desto besser.
Schenken Sie Ihrem Kind vor dem Lichterlöschen eine halbe Stunde ungeteilte Aufmerksamkeit.
Sprechen Sie mit dem Kind über seine Angst. Helfen Sie ihm, sie zu benennen. Loben Sie das Kind, wenn es die Angst überwindet.