Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie
02.06.2005 2
Auf etwas warten zu müssen, ist für Kinder oft eine Qual. Entspannte Eltern als Vorbild und ein paar Tricks helfen den Kleinen, geduldiger zu werden.
«Moritz, du musst den Spiess länger übers Feuer halten, sonst gibts Bauchweh!» Was für eine Schnapsidee, am Geburtstag ihres Sohnes Schlangenbrot zu grillieren, denkt sich Vreni genervt. Natürlich hat die Rasselbande keine Lust zu warten, und jetzt verzehren die Siebenjährigen Teigwürste, die aussen schwarz und innen roh sind. Dass diese ihnen später schwer im Magen liegen werden, interessiert die Kleinen nicht.
Was zählt, ist die sofortige Befriedigung. Jedes Kind kommt mit dieser Auffassung auf die Welt und muss erst lernen, dass sich Warten oft lohnt. Leichter fällt dies Kindern, die ein grösseres Vertrauen in die Zukunft haben – Kinder also, die von klein auf erfahren haben, dass Versprechen, die mit «morgen» oder «später» beginnen, wirklich eingehalten werden.
Anhaltspunkte geben
Auch Kinder, denen zu Beginn einer Aktion mitgeteilt wird, wie sie ablaufen und wann sie fertig sein wird («wenn der grosse Zeiger hier ist»), haben weniger Probleme mit Warten. Denn sie fühlen sich dem ungewissen Lauf der Dinge nicht so ausgeliefert. Zwischen fünf und acht Jahren lernt ein Kind, die Zeit zu lesen, und gewinnt mit der eigenen Uhr Kontrolle über sein Warten. Es kann sogar als Zeitmesser beauftragt werden. Statt ständig «Wie lange dauerts noch?» zu fragen, erklärt das Kind dem Mami: «Es geht noch zehn Minuten.» Das gibt ihm ein Gefühl von Verantwortung und Macht – da macht Geduldigsein gleich mehr Spass.
Ein Kind lernt besser, geduldig zu sein, wenn das Resultat einer Geduld fordernden Aktion ihm wirklich liegt – ein Modellauto-Fan beim Basteln seines neuen Ferraris, eine Naschkatze beim Backen der geliebten Guetsli, Blumenfreunde beim Anlegen des eigenen Beetes. Und wenn ein Kind sich etwas wünscht, kommt das Sparschwein zum Einsatz. Regelmässig wird Geld hineingesteckt, und das Kind sieht buchstäblich, wie sich seine Geduld auszahlt. Damit das Säuli nicht vorschnell geschlachtet wird, klebt an ihm ein Bild des Wunschobjekts: Mit dem Ziel vor Augen fällt es leichter, Geduld zu üben.
Gutes Vorbild sein
Die beste Art, Kindern Geduld beizubringen, ist, sie ihnen vorzuleben. So konsequent wie möglich. Ein gestresstes «Jetzt warte doch!» hat eine Erfolgsquote von gleich null. Eltern sind, wie überall, auch in Sachen Geduld die Vorbilder ihrer Kinder. Zu ihrer Unterstützung und Entlastung gibt es Institutionen wie die Pfadi, wo geduldige Leiter den Kleinen Dutzende von Geduldspielen und Geduldsproben beibringen.
Wichtig ist, dass Eltern weder das Kind noch sich selbst überfordern. Geduld fordernde Aktionen sollten in ruhigen Augenblicken stattfinden, wenn Mami wirklich Zeit hat und wenig Ablenkung herrscht. Bestimmt nicht an Kindergeburtstagen. An Moritz' nächstem Fest könnte Vreni daher Schokobananen oder etwas anderes, was im Rohzustand nicht schwer im Magen liegt, grillieren lassen. Oder ein bisschen Bauchweh in Kauf nehmen und darauf vertrauen, dass die Schmerzen einen Lerneffekt haben. Erfahrungen machen den Meister. Das gilt auch in Sachen Geduld.
Wenn Sie dem Kind versprechen, dass es später etwas bekommen wird, halten Sie sich immer daran.
Leben Sie ihm so konsequent wie möglich Geduld vor – besonders dann, wenn es selbst geduldig sein soll.
Geben Sie dem Kind Kontrolle über sein Warten. Wenn es Zeitangaben noch nicht versteht, erklären Sie in einer ihm verständlichen Art, wann das Warten endet.