Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

07.04.2005

Schluss mit Langeweile!

Wer immer gelangweilt ist, nimmt vielleicht seine Bedürfnisse nicht richtig wahr. Lösen Sie sich aus Gewohnheiten und brechen Sie zu neuen Ufern auf.

Sie sind gar nicht so selten: die ständig Gelangweilten, die nichts faszinieren kann. Die Arbeit nicht, die Beziehung nicht – und schon gar nicht das Fernsehprogramm. Manche von ihnen scheuen die Aktivität; sie motzen lieber über das miese Angebot der Welt und des Lebens. Andere geben ihre Langeweile nicht zu – auch sich selbst gegenüber nicht. Sie rennen von Termin zu Termin und stöhnen, wie gestresst sie sind. Dabei verdrängen sie, dass sie in sich nichts als Leere empfinden.

Kämpfen ist interessant

Warum herrscht bei so vielen Langeweile? Ausgerechnet heutzutage, wo die Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen, so viel grösser sind als anno dazumal, wo der Alltag immer der ewig gleiche Überlebenskampf war? Weil dieser Kampf eben nicht langweilig war: Jeder Tag war ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Davon ist der moderne Mensch hierzulande so weit entfernt wie nirgends sonst. In keinem Land ist das Leben so komfortabel, funktioniert der Alltag so reibungslos nach Plan wie in der Schweiz. Wer will, verharrt in dieser vertrauten Sicherheit des Voraussehbaren. Und riskiert, chronisch gelangweilt zu sein.

Eigentlich ist Langeweile etwas Gutes. Sie ist der Antrieb, der Menschen aus der Sicherheit ins Abenteuer zieht. Ein Abenteuer ist etwa eine berufliche Neuorientierung, ein Umzug, ein Beziehungsende oder eine Familiengründung. Ein Abenteuer kann aber auch sein, im alten Umfeld neu aufzutreten: Dinge zu sagen und zu tun, die man früher nicht gesagt und getan hat. Einzig die Angst ist es, die Menschen zögern lässt, zu Abenteurern zu werden. Angst vor dem Versagen. Angst vor Kontrollverlust. Angst vor der Einsamkeit.

All diese Ängste sind berechtigt. Denn der Abenteurer gibt etwas Altbewährtes auf – ein Image, eine Rolle, über die er sich identifizierte und die er aus dem Effeff beherrscht. Er wird unsicher und verletzlich. Die Belohnung ist, dass er sich wieder wach fühlt. Dass er intensiv die ganze Gefühlspalette erlebt. Auch weniger schöne Gefühle. Er vertraut darauf, dass aus ihnen Glücksmomente entstehen werden, wie aus jedem Winter der Frühling entsteht.

Endlich aktiv werden

Der Abenteurer sieht, dass nicht die Welt oder das Leben, sondern er allein schuld daran ist, wenn er gelangweilt ist. Dass er die Langeweile nur überwinden kann, wenn er handelt, um seinen eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden – und nicht, um anderen zu gefallen. Es ist so komfortabel, sich von vorgegebenen Meinungen und Regeln treiben zu lassen. Man sticht dann nicht heraus, man eckt nicht an. Und man zahlt dafür: mit der tiefen Unzufriedenheit, die der Kern der chronischen Langeweile ist.

Diese Unzufriedenheit widerspiegelt die Kluft zwischen dem, was man sein und tun will, und dem, was man meint, sein und tun zu müssen. Das grösste Abenteuer ist daher, zu sich selbst zu stehen. «Wer bin ich und was will ich?» Dies ist die erste Frage, die sich der Gelangweilte stellen sollte, bevor er dorthin geht, wo keine Leere ist, sondern eine bunte Schatztruhe aus Träumen und Wünschen – auf die Reise in sich selbst. Das ist sein erstes Abenteuer.

Wagen Sie ein Abenteuer