Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

17.03.2005 1

Frühjahrsputz für die Seele

Wenn aus den Neujahrsvorsätzen nichts wurde, liegts vielleicht an den falsch formulierten Zielen. Das Hirn braucht klare Anweisungen.

Wer erinnert sich nicht an Silvester? An jenem feuchtfröhlichen Abend hagelte es viele heroische Vorsätze: «Ich werde das Rauchen aufgeben!», «Ich werde 20 Kilo abnehmen!», «Ich werde nie wieder Schokolade essen!» – und so weiter. Welche dieser Gelübde wurden eingehalten? Wenige. Die meisten Neujahrsvorsätze sind regelrecht dazu geschaffen, gebrochen zu werden – denn sie basieren auf der vagen Hoffnung, dass der Jahreswechsel uns magisch in neue, bessere Menschen verwandle.

Was er natürlich nicht tut. Neujahrsvorsätze – Vorsätze überhaupt – bringen harte Arbeit mit sich: Wer ein Ziel erreichen will, muss den Weg dahin beschreiten. Je höher das Ziel gesteckt ist, desto länger und beschwerlicher ist der Weg. Es empfiehlt sich daher, Vorsätze in kleine Häppchen herunterzubrechen. «20 Kilo» ist nicht fassbar, «ein Kilo» schon. «Nie wieder» ist nicht fassbar, «heute» schon. Statt einen Vorsatz für ein Jahr oder gar für ein ganzes Leben zu fassen, warum nicht für eine Woche – oder auch nur für einen Tag?

Das eigene Hirn überlisten

Die Häppchen sollten nicht nur fassbar, sondern auch schmackhaft sein. Denn hier gehts darum, das Hirn zu überlisten. Dieses wittert bei Vorsätzen sofort Entzug. Das Hirn ist ein Gewohnheitstier. Wenn es Vertrautes aufgeben soll, beweist es beachtliche Einfallslosigkeit. Wann immer früher zur Schokolade oder zur Zigarette gegriffen wurde, herrscht jetzt in seinem Handlungsrepertoire Leere. Da ist Krise angesagt, da sträubt sich das Hirn vor Angst.

Dieser Krise kann vorgebeugt werden. Indem man sich im Vorfeld eine halbwegs angenehme Alternative ausdenkt, mit der das Gewohnheitstier gefüttert werden kann, damit es nicht den kalten Entzug erleiden muss. Negative Wörter wie «nie», «nicht», «aufhören» oder «weniger» sollten beim Formulieren von Vorsätzen daher vermieden werden. Statt «Ich werde nie wieder Schokolade essen», könnte man sich zum Beispiel Folgendes vornehmen: «Ich werde heute zum Nachtisch statt einer Schokolade einen Apfel essen.» Da macht das Gewohnheitstier eher mit, denn es ist nicht dem beängstigenden «gar nichts» ausgesetzt.

Einen Ersatz finden

Zudem heissts Finger weg von vagen Aussagen, die lediglich das Ziel erwähnen: «Ich will abnehmen» – bei diesem Vorsatz etwa fragt sich das Hirn ratlos: «Ja, aber wie soll das bitte schön gehen?» Es will ganz konkrete Anweisungen bezüglich des Wegs zum Ziel. Das wären etwa: «Ich werde morgen eine halbe Stunde spazieren gehen», «Ich werde nächste Woche zu jeder Mahlzeit einen Salat essen». Derartige Vorsätze sind viel eher von Erfolg gekrönt, denn sie zielen direkt auf das Verhalten, das es zu ändern gilt.

Und wenn es nicht gelingt, sie einzuhalten, dann sind sie wohl zu hoch angesetzt. Dann gilt, die Messlatte tiefer anzusetzen. Das Scheitern eines ungeschickt formulierten oder unrealistischen Vorsatzes ist keine Entschuldigung dafür, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Das gilt auch für die lang vergessenen Neujahrsvorsätze. Jetzt, mit dem Einzug des Frühlings, ist die Zeit reif für die zweite Runde.

Sätze positiv formulieren