Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

3.2.2005

Heile, heile Segen

Sein Kind richtig zu trösten, ist gar nicht so einfach. Als Erstes gilt es, ruhig zu bleiben und die schmerzhaften Gefühle gebührend ernst zu nehmen.

«Au!» Klein Kaspar bricht in Tränen aus. Mama stöhnt: Ausgerechnet jetzt, wo die Béchamelsauce im kritischen Stadium ist, muss er hinfallen! «Ist nicht so schlimm», ruft sie ihm zu. Kaspar weint energisch weiter. Die Sauce brennt an. Mama platzt der Kragen: «Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht so rumrennen! Das hast du davon, wenn du nicht folgst!» Jetzt heult Kaspar erst richtig los.

Er will eben getröstet werden. Ein Kind trösten heisst, dem Schock, den es erlitten hat, beruhigend entgegenzuwirken. Jeder Schmerz, jede Verletzung – körperlich oder seelisch – erschüttert das Urvertrauen. Darum tut es jetzt so gut, gehalten zu werden, wieder ganz klein sein zu dürfen und etwas von der Sicherheit zu spüren, die damals in Mamas Bauch herrschte.

Sich nicht anstecken lassen

Trösten heisst ruhig bleiben. Wenn Mama von der Krise angesteckt wird, steckt sie ihr Kind damit wiederum an. Sie hilft ihm auch nicht, wenn sie überreagiert und bei jedem Stolpern ängstlich herbeirennt – da wird auch ihr Kind überängstlich. Und manches Kind lernt so, die Mutter mit seinen Notfällen zu manipulieren.

Viele kleine Katastrophen lassen sich mit einem aufmunternden «Nicht so schlimm!» oder «Nichts passiert!» abwenden. Doch was, wenn das, wie bei Kaspar, nicht klappt? Dann gibts nur eins: dem Kind klar zeigen, dass man seine Gefühle anerkennt und ernst nimmt. Tröstende versuchen oftmals, Schmerz und Kummer kleinzureden – damit es ihnen selbst besser geht. Weil sie mitleiden. Oder weil sie, wie Kaspars Mama, keine Zeit oder Energie für eine Krise haben.

Dem Kind ist damit nicht geholfen. Im Gegenteil. Die Botschaft, die es hört, lautet: «Deine Gefühle stimmen nicht.» Das verunsichert es zutiefst. Kinder bauen ihre Gefühlswelt erst auf. Sie lernen, ihre Gefühle zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Eltern unterstützen sie dabei, indem sie die Gefühle bestätigen. «Ja, gell, das tut weh», will Klein Kaspar hören. Mama sollte ihm sagen, dass es in Ordnung ist, Schmerzen und schlechte Gefühle zu haben – und dass diese wieder vorbeigehen. «Alles wird wieder gut», will er hören. Ein vertrautes Trostritual von «Heile, heile Segen» bis zum bunten Pflaster beruhigt ihn zusätzlich.

Schimpfen bringt nichts

Gar nichts bringt es, das Kind zu tadeln – auch wenn es, wie Kaspar, selbst Schuld an seiner Krise ist. Der Schmerz ist Lehre genug, da muss Mama nicht nachdoppeln. An Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnt das Kind indes, wenn sie mit ihm die Ursache der Krise betrachtet, sie womöglich mit ihm behebt und ihm hilft, herauszufinden, wie es eine ähnliche Krise in Zukunft vermeiden kann.

Bisweilen ist es schwierig, die Gefühle des Kindes nachzuvollziehen. Weil die wahre Ursache nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Manche Krisen widerspiegeln Mamas schlechte Laune. Oder sie sind die heimlichen Rufe eines vernachlässigten Kindes nach mehr Aufmerksamkeit. Jeder kindliche Notfall hat einen guten Grund. Daher sollte sich Mama ihm zuwenden. Sie erfährt dabei Wertvolles über ihr Kind – und manchmal auch über sich selbst.

So bauen Sie Ihr Kind auf