Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

13.1.2005

Nur kein Stress

Der Mensch kann nur eine gewisse Menge an Arbeit erledigen. Wer das nicht anerkennt, wird auf die Dauer krank. Lernen Sie, nein zu sagen.

«Ich bräuchte das bis morgen früh. Geht das?» Der Abteilungsleiter legt einen Stapel Dokumente auf das Pult. Marco schluckt. «Ja, natürlich ...» – «Schön! Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann!» Marco ruft seine Partnerin an: «Ich muss den Znacht ausfallen lassen.» – «Nicht schon wieder! Wir haben Gäste!» – «Ach so ... Ja, ok.» Marco entschliesst sich, die Arbeit zu Hause zu erledigen – nachdem die Gäste gegangen sind. Mit Kaffee geht das schon. Den Schlaf wird er nachholen. Er weiss, dass er das kann – es ist nicht das erste Mal.

Nachts um vier meldet sich Marcos Magen. «Sie sind ein KandLeoniet für ein Magengeschwür!», hat der Arzt gesagt. Marco nimmt Tabletten. Er kann es sich nicht leisten, krank zu werden. Nicht jetzt.

Stress macht krank

Es ist altbekannt, dass der Mensch oft dann krank wird, wenn er meint, es sich am wenigsten leisten zu können – dann nämlich, wenn der Stress am ärgsten ist. Stress, der nicht durch Entspannung ausgeglichen wird, frisst nun einmal an der Gesundheit. Eine Krankheit kann dann als Zwangspause verstanden werden, die der Körper einberuft, wenn der Geist findet, eine Pause sei nicht nötig oder gerechtfertigt.

Marco zum Beispiel findet, dass er, anstatt zu schlafen, eine Nachtschicht einlegen könnte. Dank chemischer Unterstützung schafft er es, die Warnsignale seines Körpers zu unterdrücken. Marco anerkennt seine Grenzen nicht. Es wäre für ihn ein Zeichen von Schwäche, ja Unfähigkeit, seinem Chef zu zeigen, dass er etwas nicht im vorgegebenen Zeitrahmen schafft oder Hilfe dafür braucht.

Dummerweise lädt er den Chef dadurch ein, ihn auszunutzen. Im Gegensatz zu Marco hat der kein Problem damit, um Hilfe zu fragen. Sachen, die auf die Schnelle erledigt werden sollen, delegiert er lieber an Marco als an dessen Bürokollegen Ueli. Denn Ueli kontert auf jede Anfrage «Moment, ich muss im Terminkalender nachsehen!» – und sagt dann ruhig: «Nein, bis morgen gehts nicht – wie wärs bis Mittwoch?» Da ist dem Chef Marcos «Ja und Amen» lieber.

Ausgeruht gelingts besser

Belohnt er Marco dafür? – Ja, indem er ihm noch mehr Arbeit aufhalst. Für interessantere Projekte indes hat er Ueli vorgesehen. Denn der ist unterm Strich produktiver und kreativer. Ueli hat sich die Weisheiten der Stressforschung einverleibt. Er weiss, dass seine Leistungsfähigkeit von seiner Fähigkeit, Anspannung mit Entspannung auszugleichen, abhängt. Sein Ziel ist es, nach der Faustregel «acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf pro Tag» zu leben.

Er schreibt sämtliche Tätigkeiten der Kategorie Arbeit, Freizeit und Schlaf in den Kalender und zählt zur Kontrolle täglich die Stunden zusammen. Jede Kategorie ist gleich viel wert: Egal, ob er ein Mittagessen mit seiner Tochter oder ein Nickerchen eingeplant hat – der Arbeitsberg muss warten. Und wenn der Chef versucht, um Termine zu feilschen, trainiert er das Grenzensetzen.

Auf die Dauer ist ihm der Chef dankbar. Denn der sechswöchige Sanatoriumsaufenthalt von Marco ist nur noch eine Frage der Zeit.

So setzen Sie Grenzen