Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie
04.11.2004 5
Mama schnüffelt immer in deinem Zimmer rum. Und vom Ausgang musst du viel zu früh nach Hause. Ja, Mutter und Vater können echt mühsam sein. Du musst sie ganz einfach besser erziehen. Wir sagen dir wie.
Szenario 1: Meine Unordnung ist heilig
Schon wieder hat deine Mutter dein Zimmer aufgeräumt! Nichts ist mehr, wo es war! Und dann jammert sie auch noch: «Bei all dem Ramsch sieht man ja den Fussboden nicht!» Wie kannst du ihr klar machen, dass das kein Ramsch, sondern wichtige Sachen sind? Dass du deine ganz persönliche Ordnung im Chaos hast und vor allem: dass dein Zimmer dein Reich ist, das sie unaufgefordert bitte schön nicht zu betreten hat?
Du kannst es ihr klar machen – freundlich, in einer ruhigen Minute. Und zwar, indem du Worte mit Taten unterstützt. Erstens darf es dir nie passieren, dass du in deinem Zimmer stundenlang nach etwas suchen musst. Du solltest dich in deinem Chaos wirklich auskennen.
Zweitens darf sich deine Unordnung nicht auf den Rest des Hauses ausbreiten. Wenn du Mamas heilige Hallen vor deinen Wertsachen verschonst und bereitwillig bei Küchenputz und Co. mithilfst, dann beweist du ihr, dass du a) fähig bist, in ihrem Sinne Ordnung zu halten, und b) ihr Reich achtest. Dann hast du ein richtig gutes Argument dafür, dass sie auch deins achtet.
Szenario 2: Meine Eltern sind doof
Du findest, deine Eltern streiten zu viel, sie rauchen zu viel, sie sind frustriert und verkorkst. Das sollen deine Vorbilder sein? Nie! Dauernd verlangen sie Sachen von dir, und gleichzeitig leben sie dir das Gegenteil vor. «Von euch lass ich mir nichts sagen!», entscheidest du.
Deine Eltern sind Menschen. Sie versuchen, nach ihrem Ideal zu leben. Das gelingt ihnen nicht immer. Sie haben Schwächen, und sie machen Fehler. Verständlich, dass du ihnen nicht alles nachmachen willst – du willst sowieso wie du selbst sein. Trotzdem brauchst du Vorbilder. Wenns geht, such dir da nicht andere Jugendliche, die gegen die Erwachsenen rebellieren und alles doof finden. Denn die sträuben sich nur gegen die Realität des Erwachsenenlebens, die sie dann irgendwann unsanft einholt, weil sie unvorbereitet sind.
Du kannst dich am besten auf das Erwachsenenleben vorbereiten, in dem du dir Menschen suchst, die dich darin unterstützen, ein glücklicher Mensch zu werden. Erwachsene, die ihr Leben gut meistern, die du achtest und von denen du lernen willst. Sprich mit ihnen. Je mehr du von ihnen lernst, desto selbstsicherer wirst du. Und desto weniger berühren dich die Peinlichkeiten, die sich deine Eltern leisten.
Szenario 3: Ich will mehr Freiheit
Immer schon um zehn zu Hause sein, das ist zum Ausrasten! Und immer diese Bedingungen: «Wenn du die Aufgaben machst, dein Zimmer aufräumst, dann darfst du ...» Du willst frei sein, und die Eltern legen dir Ketten an.
Dummerweise hat Freiheit ihren Preis. Immer. Die Erwachsenen müssen sich dafür im Job abrackern, und auch du musst dir die Freiheit erkaufen. Mit Respekt und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Respekt haben, das heisst, die Eltern zu achten und auf sie Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, um zehn Uhr zu Hause zu sein, wenn sie es wollen. Wenn du später nach Hause kommst oder ohne Voranmeldung weggehst, schrauben sie den Riemen garantiert enger. Wenn du hingegen heute nach ihren Regeln spielst, kannst du in Zukunft besser mit ihnen verhandeln. Sie werden viel eher auf deine Wünsche eingehen, weil sie sich von dir respektiert fühlen.
Und sie werden die Zügel lockern, wenn sie sehen, dass du Verantwortung für dich selbst übernimmst. Das heisst: Du baust im Ausgang keinen Mist, hängst am nächsten Tag nicht verkatert rum und schreibst nach wie vor passable Noten. Je besser du «funktionierst», desto mehr Freiheit kriegst du. Weil sie dann sehen, dass du dich selbst genug achtest, um auf dich selbst zu achten. Dann müssen sie es nicht für dich tun.
Szenario 4: Mama ist eine Spionin
Überall schnüffelt sie herum: in deinem Schulzeug, dem Portemonnaie, auf deinem Nachtisch. Mama will alles wissen: was du smst, was du liest, mit wem du dich triffst. Und dauernd meckert sie an dir herum, an deinen Kleidern, an deiner Schminke, an deinen Freunden. «Lass mich endlich in Ruhe!», schreist du sie an.
Mama glaubt, dass dus nicht im Griff hast. Sie befürchtet, dass du mit üblen Gestalten verkehrst, schwanger wirst, im Sumpf landest. Ist ihre Angst berechtigt? Hattest du mal echten Trouble, hat sie bei dir Drogen entdeckt, musste sie dir bereits einmal aus einer brenzligen Lage helfen? Wenn ja, dann gibts nur eins: Du musst ihr Vertrauen neu gewinnen. Ihr zeigen, dass du dein Leben managen kannst. Wenn sie über längere Zeit keinen Grund zur Beunruhigung hat, vergisst sie ihre Sorgen – und das Schnüffeln und Kritisieren wird ihr langweilig.
Wenn nein, dann hat Mama wohl einfach Angst, dich zu verlieren. Erkläre ihr freundlich, dass du deine Privatsphäre brauchst. Dass Mamas Versuche, dich zu kontrollieren, dich nur in die Flucht und in die Rebellion treiben.
Und: Dass es dir genauso schwer fällt, dich von ihr abzulösen wie umgekehrt. Und dass du sie liebst, auch wenn du sie nicht mehr so brauchst wie früher.