Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

21.10.2004 4

Jedem seine Welt

Ihr Partner kann Ihre beste Freundin nicht leiden? Lassen Sie sich nicht beirren. Er muss sich in Toleranz üben. Und Sie können ihm dabei helfen.

Wenn zwei Menschen eine Beziehung eingehen, prallen zwei Welten aufeinander. Jeder hat seinen Geschmack und seine Leidenschaften. Manche dieser persönlichen Anteile fliessen problemlos in die Beziehung ein – andere nicht. Da ist zum Beispiel ihre beste Freundin, mit der er sich überhaupt nicht versteht. Was tun?

Soll sie den Kontakt zur Freundin abbrechen? Nein. Die Freundschaft ist ein wichtiger Teil von ihr; und wer sich selbst – oder auch nur Teile von sich – für den Partner aufgibt, entwickelt einen Groll, der die Liebe zum Erlöschen bringen kann. Was dann? Soll sie ihn zu überzeugen versuchen, welch wunderbarer Mensch ihre Freundin ist? Nein – das gliche dem Versuch, einen Kreis in ein Quadrat zu zwängen.

Ganz einfach leben lassen

Die Lösung heisst vielmehr «leben und leben lassen». Er muss die Freundin nicht mögen. Er muss nur tolerieren, dass die Freundschaft besteht. Sofern sie ihm oder der Beziehung nicht schadet. So sollte seine Partnerin sich nicht vor Konflikten mit ihm zu ihrer Freundin flüchten – oder die Freundin treffen, um ihn zu provozieren. Die Freundschaft sollte sie nur für sich leben, nicht gegen ihn verwenden.

Es ist für viele schwer, dem Partner einen persönlichen Bereich zuzugestehen. Weil sie misstrauisch sind gegenüber dem, was sie nicht verstehen. Weil sie eifersüchtig auf das sind, woran sie nicht teilhaben. Und vor allem, weil sie Angst haben, den Partner zu verlieren. Daraus erwächst der Versuch, den Partner zu kontrollieren und ihm sein Eigenes schlecht zu machen oder gar zu verbieten. Das ist Gift für die Beziehung und führt nicht selten in die Rebellion – der eine tut dann «grad zleid» das, was dem anderen missfällt.

«Wenn du jemanden liebst, lass ihn frei», dieser Satz ist eine der grössten Herausforderungen einer Partnerschaft. Er bedeutet, den anderen in seine eigene Welt ziehen und freiwillig zurückkommen zu lassen. Je grösser das Vertrauen in die Liebe des Partners, je grösser die Überzeugung, liebenswert zu sein, desto einfacher fällt dies.

Beharrlich bleiben

Dieses Vertrauen kann gelernt werden. Angenommen, er wirft ihr jedes Mal, wenn sie mit ihrer Freundin ausgeht, vor, sie wolle ihm damit wehtun. Sie lässt sich dadurch nicht beirren. Denn sie kennt ihr wahres Motiv: Sie geniesst das Gespräch mit ihrer Freundin, ihre Liebe zum Partner ist deshalb nicht weniger stark. Das wiederholt sie freundlich und bestimmt. Sie lässt sich nicht auf Diskussionen ein, und sie hält seine schlechte Laune aus.

Je konsequenter sie sich von ihm abgrenzt und zu sich selbst steht, desto mehr unterstützt sie seinen Lernprozess. Er lernt, dass sie sich nicht zwingen oder manipulieren lässt, sondern aus freien Stücken aus ihrer Welt zu ihm zurückkehrt. Jedes Mal, wenn sie zurückkehrt, wächst sein Vertrauen in sie, und ganz allmählich wird er ihrer Welt gegenüber toleranter.

Und wenn er den Mut dazu nicht hat, dann wird sie sich zum schmerzvollen Schritt entschliessen müssen, ihren Partner aufzugeben. Gewonnen hat sie trotzdem: Sie ist sich selbst treu geblieben.

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