Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

9.9.2004 7

Machs dir selbst recht

Wer es allen recht machen will, kämpft auf verlorenem Posten. Er wird gestresst und gereizt. Besser fährt, wer klare Grenzen zieht.

Immer öfter hört Bea den Vorwurf, sie sei gereizt, abweisend, nicht bei der Sache. Ausgerechnet sie! Wo sie doch immer an die anderen denkt! An ihre Familie, an ihre Freunde, an ihr Arbeitsumfeld – allen versucht sie es recht zu machen. Und sie merkt, dass sie es nicht kann. Das stresst sie. Es stresst sie, wenn ein Familienmitglied mit mürrischer Miene am Znachttisch sitzt. Es stresst sie, dass sie Ruth vernachlässigt, wenn sie mit Eva abmacht. Und es stresst sie, dass sie es ihrer Mutter grundsätzlich nicht recht machen kann.

Bea fühlt sich überfordert. Und ausgenutzt. Ja, sie ist gereizt – wütend auf ihre Lieben, die einfach nicht mitmachen, wenn sies ihnen recht machen will. Bea erwartet Freude und Anerkennung. Wenn diese ausbleiben, fühlt sie sich zurückgewiesen. Und gibt sich die Verantwortung dafür.

Einen Kreis ziehen

Was kann Bea tun? Etwas ganz Pragmatisches. Sie kann die Arme von sich strecken, sich um die eigene Achse drehen und einen unsichtbaren Kreis ziehen: «Alles ausserhalb dieser Grenze ist nicht meine Sache», sagt sie sich. Es ist nicht ihre Sache, ob andere glücklich sind mit dem, was sie ihnen bietet. Wenn sie es ihnen nicht recht machen kann, hat das meist herzlich wenig mit ihr zu tun. Ihre Mitmenschen haben ganz persönliche Gründe dafür. Sie allein bestimmen, ob Bea es ihnen recht machen kann. Sie allein bestimmen über ihre Gefühle. Sie allein sind verantwortlich für ihr Wohlergehen.

Und darum fährt Bea besser, wenn sie sich zum Ziel macht, Dinge für andere zu tun, weil sie sie gern tut, und nicht, weil sie etwas dafür erwartet. Ihr Motto sollte künftig nicht mehr lauten: «Ich will es ihnen recht machen», sondern «Ich will das oder jenes machen – ungeachtet dessen, was die anderen denken». Nur sich selbst muss sie es recht machen: Ihre Sache ist es, sich um ihr eigenes Wohl zu kümmern. Dann hat sie auch wieder mehr Energie und Lust, auf andere einzugehen.

Ihre Agenda hilft Bea, Prioritäten zu setzen und Grenzen zu ziehen zwischen Dingen, die sie tun, und Dingen, die sie nicht tun kann und will. Hier stehen Beginn und Dauer aller Verabredungen und Aktivitäten. Überschneidungen und Doppelbuchungen gibts keine. Pro Tag notiert sie mindestens eine entspannende Aktivität. Und: Was im Kalender steht, gilt.

Wünsche ausschlagen

Wünsche, die sie nicht erfüllen kann, schlägt sie aus. Mit einem freundlichen und bestimmten Nein: «Nein, dann kann ich nicht», «Nein, das ist nicht möglich». Bei den Lieben stösst das vielleicht auf Gegenwehr. Logisch – diese versuchen jetzt, Beas frisch gezogene Grenzen aufzuweichen. Bea lässt sich nicht beirren. Sie erklärt, dass das Gewünschte ihre Kapazitäten sprengt.

Auf die Dauer wird man sie für ihre klare Linie respektieren. Und sich daran freuen, dass sie nicht mehr so gereizt ist. Denn klare Grenzen sind wie ein Schild zwischen dem Ich und dem Du, das Bea vor dem Eindringen der Wünsche und Gefühle anderer schützt. Und wo keine Übergriffe mehr stattfinden, muss sie auch nicht mehr mit Wut und Aggression reagieren.

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