Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

26.8.2004 5

Schlucken Sie nichts runter

Wenn der Partner ein Alkoholproblem hat, kann er es nur selbst lösen. Sagen Sie ihm aber ehrlich, dass auch Sie unter seiner Sucht leiden.

Wenn ein Mensch zu oft und zu tief ins Glas schaut, lässt das die nähere Umgebung selten kalt. Manchmal aus ganz handfesten Gründen. Wenn etwa gemeinsame Projekte zu leiden beginnen. Wenn gemeinsame Aktivitäten mehr und mehr dem einsamen Trinken weichen. Wenn Lügen und ein übler Geruch in der Luft liegen. Wenn das Verhalten unangenehm auffällt.

Wie spricht man das an? Sicher nicht, in dem man die Schwäche des anderen ins Zentrum stellt und sagt: «Du hast ein Alkoholproblem.» Das ist abwertend. Besser ist es, in der Ich-Form klarzustellen, dass man selbst ein Problem hat: «Ich leide darunter, dass du nach Alkohol riechst. Es stösst mich ab.» Das kann ein wertvoller Schreck für den Angesprochenen sein und ihn dazu motivieren, seine Sucht anzugehen.

Angst vor dem Absturz

Manche Menschen haben Probleme mit dem Alkoholkonsum ihres Partners, obwohl man diesem kaum etwas anmerkt. Warum? Vielleicht weil sie selbst früher schlechte Erfahrungen mit Alkohol machten. Weil sie Angst vor dem eigenen Absturz haben. Weil sie nicht akzeptieren können, dass der Partner eine Schwäche hat. Oder weil es ihnen einfach wehtut, zu sehen, wie er sich selbst Schaden zufügt.

Derartige innere Konflikte können sie dem Partner zwar mitteilen, sie müssen sie aber mit sich selbst aushandeln. Denn es ist seine Sache, wie (un)gesund ihr Partner lebt und handelt – sie können ihn nicht ändern. Der Gedanke «Er wird aufhören zu trinken, wenn ich ihn nur genug liebe» ist ein Mythos. Niemand kann einen Alkoholiker retten ausser er selbst.

Mancher Suchtkranker versucht zwar, die Verantwortung mit Sätzen wie «Wenn du mir mehr beistündest, würde ich nicht mehr trinken» von sich zu weisen. Doch wenn die Angeschuldigten dann aus schlechtem Gewissen bei ihm bleiben, helfen sie ihm nicht. Ein Alkoholiker kommt nur weiter, wenn er eigenverantwortlich seinem Dämon ins Auge blickt.

Konkrete Tipps geben

Wer als Partner Unterstützung bieten will, kann dem Trinker Telefonnummern von Therapeuten, Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen in die Hand drücken. Am meisten hilft er dem Kranken jedoch, wenn er seinen Weg, sein Tempo und seine Art akzeptiert. Denn sonst geht er seine Sucht nicht aus eigenem Wille an, sondern um zu gefallen. Und beim nächsten Beziehungskonflikt greift er wieder zur Flasche. Aus Rebellion.

Wem es nicht gelingt, den Partner so zu akzeptieren, wie er ist – seis aus persönlichen Gründen oder weil das Trinken sein Verhalten und den Charakter zu sehr beeinträchtigen –, zieht sich am besten zurück. Mit der Erklärung, dass man damit nicht ihn bestrafen, sondern sich selbst schützen will. Und dass die Freundschaft oder Liebe nach wie vor besteht und dass man offen dafür ist, den Kontakt bei entschärfter Lage wieder aufzunehmen.

Kommt das schlecht an, bleibt nichts als die Erkenntnis, dass dem persönlichen Wohl zuliebe die Eigenliebe an erster Stelle steht. Denn die Verantwortung für das Glück des anderen trägt man nicht, sehr wohl aber die fürs eigene.

Der Umgang mit Trinkern