Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

13.05.2004 0

Wer sucht, der entdeckt

Wer dauernd nach wichtigen Dingen sucht, sollte sich einmal fragen, ob dahinter nicht mehr steckt.

Stress! Der Schlüssel ist weg! Hat ihn der Staubsauger verschluckt? Ist er ins Klo geplumpst? Eine Horrorvision jagt die andere; panisch durchwühlt man das ganze Haus. Auch die hinterste Schublade. Plötzlich ruft Klein-Mäxli: «Ich hab ihn!» Er ist in der Handtasche. Wo er hingehört. Wie konnte man ihn nur übersehen?

Im Zustand der Panik macht der Verstand eben schlapp, und ein kopfloses Huhn ist nun mal kein Meisterdetektiv. Sinnvoller ist folgende Suchstrategie: hinsetzen. Augen schliessen. Einatmen. Ausatmen. Langsam bis hundert zählen. Warten. Bis die Erinnerung zurückkommt.

Helfen können auch diese Regeln: «Je schlechter das Gedächtnis, desto besser die Ordnung» und: «Jedes Ding hat seinen festen Platz». So hat man die Alltagsverwaltung im Griff. Aber will man das überhaupt? Nicht immer. Bei manchen Menschen haben Chaos und Suchfrust einen tieferen Sinn.

Der Verweigerer-Typ

Da wären etwa die Verweigerer. Sie akzeptieren nicht, dass sie Grenzen haben. Sie erfüllen Pflichten, die sie nicht erfüllen wollen. Wenn sie wichtige Dinge nicht wiederfinden, drücken sie damit aus, was sie sich zu sagen nicht trauen: «Ich kann nicht mehr!» oder «Das sollen die anderen tun!». Eine Untergruppe der Verweigerer sind die zerstreuten Professoren. Die Verwaltung ihres Alltags ist ihnen zu blöd, drum tun sie so, als ob sie zu blöd dazu wären. Sie stellen sich derart ungeschickt an, dass ihnen Nahestehende augenrollend das Management von Schlüssel & Co. abnehmen, während sie selbst sich Wichtigerem zuwenden.

Von der Organisation des Alltags überfordert geben sich auch die Kontaktsuchenden. Sie haben Angst, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Denn wer sein Leben im Griff hat, ist unabhängig. Und in der Unabhängigkeit wittern sie Einsamkeit. Da bleiben sie lieber hilflos und abhängig: Abhängigkeit verbindet.

Auch die Selbst-Saboteure haben Angst. Vor dem Erfolg. Indem sie wichtige Dinge nicht wiederfinden, legen sie sich Steine in den Weg. Je weiter sie kommen, so fürchten sie, desto tiefer werden sie fallen. Weil sie insgeheim meinen, das wahre Glück nicht verdient zu haben.

Der Dramatiker-Typ

Und schliesslich sind da die Dramatiker. Sie lieben die Aufregung, stehen gern im Mittelpunkt. Daher kreieren sie lauter kleine Dramen, die ihren Puls hochtreiben und die Scheinwerfer auf sie richten. Wenn sie den Schlüssel suchen, tun sie das so laut, dass ihre Mitmenschen alles stehen und liegen lassen, um hechelnd zu Hilfe zu eilen.

Fazit: Wer sich dabei ertappt, hektisch zu suchen, tut gut daran, hinter dem verschollenen Objekt nach einer versteckten Nachricht zu schauen. Nur wer die liest, kann davon profitieren, wenn er das nächste Mal entnervt auf der Suche ist. Dann versteht er vielleicht ein bisschen besser, was wirklich gerade bei ihm abläuft.

Je mehr er das versteht, desto besser kann er versuchen, dazu zu stehen. Und je mehr er dazu steht, desto weniger hat er es nötig, heimliche Botschaften zu verschicken und zu diesem Zweck ein Fehlverhalten an den Tag zu legen, das ihm und seinem Umfeld vor allem eins bereitet: Stress.

Tipps für ewig Suchende