Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

12.2.2004

Sorgen rufen nach Taten

Wer sich Sorgen macht, bewirkt nichts und lenkt nur von eigenen Problemen ab. Erforschen Sie besser die Ursachen.

«Könnte es sein, dass ich schwer krank bin?» «Ob Maja etwas gegen mich hat?» «Hoffentlich passiert Ueli auf der Reise nichts!» Sara macht sich Sorgen. Düstere Vorstellungen, dunkle Ahnungen schwirren tagaus, tagein durch ihren Kopf.

Sorgen sind Ängste. Die einzige sinnvolle Art, mit Ängsten umzugehen, ist, sie genau anzusehen. Sara sollte daher eine Sorgenliste machen, auf der sie Sätze der Art «Ich habe Angst, dass..., weil...» schreibt: «Ich habe Angst, dass ich schwer krank bin, weil ich immer Kopfweh habe.» «Ich habe Angst, dass Maja etwas gegen mich hat, weil sie mich meidet.» «Ich habe Angst, dass Ueli etwas passiert, weil eine Reise viele Gefahren birgt.»

Die Gründe erforschen

Das «weil» ist wichtig. Denn es zeigt die Gründe hinter der Angst. Nur wer diese Gründe erforscht, kann die Ungewissheit überwinden, die Mutter aller Sorgen ist. Wer sich auf Jagd nach den Tatsachen macht, kann seine dunklen Ahnungen durch echtes Wissen ersetzen. Sara kann ihrem Kopfweh bei einem Arztbesuch auf den Grund gehen. Sie kann im Gespräch mit Maja herausfinden, warum diese sie meidet. Die Gefahren auf Uelis Reise kann sie nicht erforschen – sie weiss gar nicht, wo er ist. Hier bleibt sie im Ungewissen gefangen. Und lernt daraus nur eins: sich um andere zu sorgen hilft niemandem und bringt nichts. Ausser der Gewissheit, dass man machtlos ist. Einfluss hat Sara nur bei den Sorgen um die eigene Person: Wenn sie weiss, warum Maja sie meidet und warum sie Kopfweh hat, kann sie gezielt handeln, um die Situation zu verbessern.

Handeln braucht Mut. Der Mensch macht sich daher gern über Dinge Sorgen, auf die er keinen Einfluss hat. Er leitet seine Sorgen regelrecht um: Die Angst ist echt, doch sie erscheint unter falschem Namen. Er sorgt sich um andere Menschen und abstrakte Dinge, weil er das, was wirklich an ihm nagt, lieber verdrängt.

Wer sich Sorgen macht, ist voll beschäftigt. Das Hirn läuft auf Hochtouren, die Adrenalinproduktion ist angekurbelt. Sich Sorgen zu machen ist Schwerarbeit. Doch wozu der Aufwand? Für das Kreieren finsterer Fantasieprodukte, die mit der Realität oft wenig zu tun haben. Wie bei Sara. Der Arzt erklärt ihr, dass sie unter einem verspannten Rücken leidet. Sie findet nach langem Zögern im Gespräch mit Maja heraus, dass diese gar nichts gegen sie hat, und Saras Befürchtungen waren umsonst. Sie hat mit ihrer Sorgenarbeit die Zinsen für eine Schuld bezahlt, die gar nicht besteht.

Handeln statt grübeln

Sorgenvolle Gedanken machen nur dort einen Sinn, wo man Einfluss hat. Da dienen sie als Wegweiser zum Handeln. «Hier stimmt etwas nicht!», rufen sie, «Tu was!» Wer sich Sorgen macht, dreht sich im Leerlauf. Wer indes auf die Sorgen Taten folgen lässt, packt das Sorgenübel von verschiedenen Seiten an.

Auf seiner Jagd nach Tatsachen findet er heraus, welche Sorgen unbegründet sind. Von ihnen entlastet, hat er mehr Zeit und Energie für das Beseitigen echter Probleme, die sich bei seinen Nachforschungen herauskristallisiert haben – in Saras Fall wäre das ihre Rückenverspannung. Fast am wichtigsten aber ist, dass er handelt. Denn wer handelt, hat keine Zeit zum Grübeln: Er hat keine Zeit, sich Sorgen über Dinge zu machen, die er nicht beeinflussen kann.

Gehen sie die Sorgen an