Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

29.1.2004

Ich bin dein Manager

Wer den Partner, dessen Erfolge und Probleme ins Zentrum stellt, ist oft mit der eigenen Lebensführung überfordert.

Lia schwärmt: «Hans hat das so toll gemeistert!» Ihre Freundin Trudy kann es nicht mehr hören. Ständig redet Pia von ihrem Mann; sie findet einfach alles, was er macht, gut. Trudy hat ein anderes Lied zu singen. Ihr Gerhard macht ihr nur Kummer. Er ist faul geworden, er raucht zu viel, er kümmert sich zu wenig um die Zukunft. Und wenn sie ihn zur Rede stellt, wendet er sich trotzig ab.

So verschieden sie scheinen, so haben Trudys und Pias Beziehungen doch eines gemein: Beide, Trudy und Pia, stellen ihren Partner ins Zentrum. Ihre Gespräche, Gedanken, Freuden und Sorgen drehen sich nicht um sich selbst, sondern um ihn. Ihr Wohlergehen hängt davon ab, was er tut. Genau genommen davon, wie sehr sein Tun ihren Vorstellungen entspricht.

Das eigene Leben leben

Im Prinzip lassen sie ihren Partner für sich leben. Sie stehen im Hintergrund und versuchen ihn zu managen. Dieses Muster zeigt sich in vielen Beziehungen. Kein Wunder – es ist verlockend, dem anderen die Verantwortung zu übergeben. Ihn machen zu lassen. Besonders, wenn man, wie Trudy und Pia, ein eher ängstlicher und bescheidener Mensch ist.

Und so haben beide etwas, was sie erfüllt: Pia ist erfüllt von Stolz, Trudy von Sorgen. Doch was sie erfüllt, ist nicht ihr Eigenes. Es sind die Taten, die Erfolge, die Probleme ihres Partners. Sein Eigenes wird zu ihrem Eigenen. Sie zehren von seinen Lorbeeren, grübeln über seine Probleme, geben ihm Regieanweisungen und versuchen ihn zu formen.

Vorprogrammierter Konflikt

Doch es ist eine Illusion, Kontrolle über den Partner zu haben. Pias Mann Hans macht mit, weil er ihre Bewunderung geniesst. Wie lange noch? Wann wird es ihm so gehen wie Trudys Gerhard? Der rebelliert und entzieht sich seiner Frau, weil er sich eingeengt und überfordert fühlt.

Nicht nur für die Partnerschaft, auch für Trudys und Pias Selbstvertrauen ist dieses Beziehungsmuster ungesund. Denn wer andere für sich tun lässt, fühlt sich allmählich nutzlos und wertlos. Und wird dadurch immer abhängiger.

Wer sich dabei ertappt, dass er seinen Partner vor sich selbst stellt, sollte sich fragen, ob er sich selbst aus dem Weg geht. Ob ihn die eigene Lebensplanung überfordert. Was ihn davon abhält, selbst Dinge zu tun. Ob er Angst vor der Verantwortung hat. Ob er Angst vor dem Versagen hat.

Unabhängig werden

Dem Partner und sich selbst zuliebe sollte jeder Mensch Eigenständigkeit entwickeln. Denn wer sich an den anderen lehnt, belastet ihn. Und läuft Gefahr, zu fallen, wenn der andere auch nur einen Schritt macht. Wer hingegen ein eigenes Leben hat, lässt dem Partner Raum zu atmen und hängt nicht auf Gedeih und Verderb von ihm ab.

Wie können Trudy und Pia Eigenständigkeit entwickeln? Indem sie zu ihrem Eigenen finden. Im Grunde also genau das tun, wovor sie Angst haben. Doch schon der erste Schritt hilft ihnen, diese Angst zu überwinden. Denn der beste Weg, das Selbstvertrauen zu steigern, ist, selbst Dinge zu tun. Vielleicht beginnt Pia, Freiwilligenarbeit zu leisten, und Trudy geht zum Berufsberater. Und beide suchen sich einen Abendkurs. Wird ihr nächster Klatsch wieder von den Taten und Problemen ihrer Männer dominiert sein? Wohl kaum.

Tipps für mehr Eigenständigkeit