Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

11.12.2003 0

Geben lohnt sich

Um Weihnachten sind die Menschen besonders spendabel. Dabei zahlt sich Nächstenliebe auch das Jahr über aus.

Wer kennt ihn nicht, den Kindheitswunsch, Arzt, Feuerwehrmann oder Krankenschwester zu werden? Tief drin steckt in jedem Menschen ein kleiner Weltverbesserer. Doch viele schicken ihn im Erwachsenenalter in die Verbannung. «Was kann ich schon bewirken?», sagen sie sich und «Warum soll gerade ich mich für andere aufopfern?».

Fragwürdiger Leitsatz

Sie lassen sich durch jene Zeitgenossen entmutigen, deren einziges Ziel es ist, für sich selbst das Beste herauszuholen. Nach der Devise «Der Stärkere überlebt» trampeln diese auf ihrem Weg zur Spitze rücksichtslos andere nieder. Oben angekommen, müssen sie allerdings erkennen, dass die Luft hier erschreckend dünn ist. Trotz ihrer Macht und ihrer materiellen Reichtümer sind sie am Ende bettelarm. Denn ihnen fehlen echte Beziehungen mit anderen Menschen.

«Der Stärkere überlebt» – das stimmt, aber der Stärkere ist der, der nicht allein ist, sondern zu einem Team gehört. Teamspieler sind füreinander da, sie helfen einander; da tritt der eine auch mal zu Gunsten des anderen zurück. Der Mensch ist das sozialste aller Wesen. Er ist sozusagen darauf programmiert, im Team zu überleben. Wenn er für seine Mitmenschen da ist, wenn er dafür sorgt, dass es ihnen gut geht, kann er auch auf ihre Unterstützung zählen. Erstens, weil sie ihm dann wohlgesinnt sind, und zweitens, weil Menschen, denen es gut geht, in der Regel andere auch gut behandeln. Manchmal spürt der Wohltäter das nicht direkt, manchmal wirkt viel mehr der Dominoeffekt: Wenn er heute zu A nett und hilfsbereit ist, behandelt A morgen möglicherweise B netter als sonst, und B wiederum lässt dies übermorgen C spüren – und so weiter. So werden gute Taten von Mensch zu Mensch weitergereicht. Irgendwann kommen sie zu A oder seinen Nachkommen zurück.

In anderen Worten: Auch wenn er manchmal zunächst den Kürzeren zu ziehen scheint, profitiert der Mensch auf die Dauer davon, wenn er nett und hilfsbereit ist. Die Natur hat ihm dafür ein hervorragendes Hilfsmittel gegeben: die Empathie – die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen und mit ihnen mitzufühlen. Dank seinem Mitgefühl leidet er am Leid der anderen und freut sich an ihrem Glück. Und darum will er, dass es ihnen gut geht. Weil es ihm dann auch besser geht.

Am Schluss siegt das Gute

Freilich wird das Mitgefühl der einen bisweilen von anderen rücksichtslos ausgenutzt. Doch egal, welch Schindluder diese betreiben, egal, welche Auswüchse der Unmenschlichkeit die Erde immer wieder verdunkeln, letztendlich siegen Mitgefühl und Nächstenliebe. Ohne sie gäbe es die Menschheit gar nicht mehr, ohne sie wäre die Welt schon lang in einem Gemetzel untergegangen.

Weihnachten appelliert an das Mitgefühl. Der Dezember ist der Monat, in dem Hilfsorganisationen zum Spenden aufrufen – mit Erfolg. Doch es gibt auch in den übrigen elf Monaten unzählige Möglichkeiten, Gutes zu tun. Die Menschheit profitiert ebenso von Mutter Theresas Barmherzigkeit wie vom Lächeln jedes Einzelnen, sie profitiert von weltweiten Hilfsaktionen wie von kleinen Alltagstaten.

Und mit jeder guten Tat dankt der Mensch denjenigen, die früher Gutes getan haben. Denn ohne sie wäre er heute vermutlich gar nicht da.

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