Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

27.11.2003 8

Besinnen Sie sich!

Weihnachten steht vor der Tür, und wieder droht der Geschenkestress. So tricksen Sie ihn aus.

Vor gut 2000 Jahren, als sie dem Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe überbrachten, ahnten die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland wohl kaum, welchen Rummel sie damit im Abendland auslösten. Kein Zweifel: Der damals geborene Brauch, zu Weihnachten Geschenke zu überreichen, ist heute völlig entartet. Die Dezemberstimmung in den Läden hat mit Besinnung, Frieden und Liebe so wenig zu tun wie mit der wahren Bedeutung des Schenkens.

«Schenken ist ein Brückenschlag über den Abgrund deiner Einsamkeit», sagte der Dichter Antoine de Saint-Exupéry. Es ist ein Akt der Zuneigung, der Verbundenheit, der Hingabe: Da gibt man etwas von sich her und festigt mit diesem Gegenstand – oder mit dem, was er symbolisiert – einen Platz in der Erinnerung des Empfängers.

Nur noch Pflichtprogramm

Doch viele Weihnachtsgeschenke sind weniger Zeugnisse der Zuneigung, der Verbundenheit und der Hingabe; hinter ihnen stecken viel mehr Pflichtgefühle. Man schenkt, weil das alle tun. Weil man nicht in der Schuld der anderen stehen will. Kurz, weil man meint, schenken zu müssen.

Und das, obwohl man vielleicht gar nicht in Schenkstimmung ist. Das richtige Geschenk zu finden ist nicht leicht, es braucht dazu Musse. Und wenn die fehlt, ist Stress angesagt. Umso mehr, wenn einige der Geschenke für Menschen bestimmt sind, zu denen man keine besondere Beziehung hat.

Auf der anderen Seite steht der Empfänger, den das eine oder andere Weihnachtsgeschenk einfach nur belastet. Weil er mit ihm nichts anfangen kann. Weil er sich dem Schenker nicht verbunden fühlt. Gibt er das zu? Selten. Lieber spielt er Freude vor.

Welch ein Gegensatz zu jenen Höhepunkten kindlicher Glückseligkeit, als es den Weihnachtsmann noch gab, der so viele bunte Päckchen vom Himmel runterflattern liess und jeden Kinderwunsch erfüllte. In der (vor)weihnachtlichen Gestresstheit, unter der manche so leiden, schwingt nicht selten die heimliche Trauer darüber mit, dass es das absolute Glück von damals einfach nicht mehr gibt – genauso wenig wie den Weihnachtsmann.

Nein sagen lernen

Diese Trauer ist ernst zu nehmen – und darum sollte sich der Mensch im Dezember besondere Aufmerksamkeit angedeihen lassen. Dazu gehört, Nein zu sagen, wenn alles zu viel wird. Statt den Weihnachtsrummel seufzend über sich ergehen zu lassen, empfiehlt es sich, mit Ehepartnern, Kindern, Verwandten und Freunden abzuklären, ob er wirklich sein muss.

Die ganz Tapferen teilen ihren Lieben mit, dass sie es dieses Jahr anders halten wollen. Weihnachten, so erklären sie, ist ein Fest der Besinnung, des Friedens und der Liebe; Einkaufsstress passt da nicht rein. Weihnachtsgeschenke gibts höchstens für die Kleinen. Die Grossen können sich unter dem Jahr Geschenke machen, die wirklich Symbole der Zuneigung und der Hingabe sind. Nicht wenn sie müssen, sondern wenn sie wollen. Denn die schönsten Geschenke sind die, die freiwillig geschenkt werden.

Die ganz Tapferen rufen im Weihnachtsstress: «Stopp! Zuerst komme ich!» Damit machen sie sich selbst ein wunderschönes Geschenk. Und die Heiligen Drei Könige werden erleichtert aufatmen.

Es geht auch ohne Stress