Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

18.9.2003 8

Plötzlich wieder Single

Nach einer Trennung wirkt der Ex-Partner oft attraktiver denn je. Erforschen Sie den Trugschluss.

Trennungen werfen viele in ein Loch. Sie leiden unter Einsamkeit, vermissen das gewohnte Gegenüber, die intimen Momente. Und bleiben in monatelanger Sehnsucht nach eben der Person hängen, an der sie zuvor kein gutes Haar gelassen haben. Wieso eigentlich? Geht es da wirklich um diese Person?

Nein. Es geht um ein Bild: Von Amors Pfeilen getroffen, haben Verliebte einen gehörig verklärten Blick und machen sich Wunschbilder voneinander. Da schwirren Märchenprinzen mit Traumprinzessinnen kopflos durch die Lüfte – nur um knallhart im Beziehungsalltag zu landen. Und dort klaffen Wunschbild und Wirklichkeit oft auseinander, was zu Streitigkeiten führt, zu Kompromissen, zu gemeinsamem Wachstum – und manchmal eben zum Bruch.

Schöne Momente leben auf

Nach der Trennung kann es passieren, dass das Wunschbild in neuer Pracht erblüht, denn es ist nicht mehr durch die Beziehungswirklichkeit überschattet. Vergessen sind dann oft des Partners stinkende Socken, zurück bleibt die Sehnsucht nach den duftenden Rosen: nach dem Wunschbild von der Traumbeziehung mit dem Traummenschen.

Es lohnt sich, dieses Bild genauer anzusehen. Denn es hat ebenso viel mit der Person zu tun, die es sich macht, wie mit der Person, von der es gemacht wird. Da wird nicht nur das herausgefiltert, was am Partner nicht gefällt, sondern auch munter Eigenes hineinprojiziert: vernachlässigte und verdrängte Charakterzüge und Lebensträume. Die Devise lautet: «Was ich selbst nicht kann, sollst du für mich können.» Zum Beispiel stark sein. Wild sein. Schwach sein. Gefühlvoll sein. Erfolg haben. Häuslich sein. Sich selbst gesteht man es nicht zu, darum delegiert man es an den Partner, und im Partner liebt man es auch.

Der Wunschbildpartner dient vielen Menschen auch dazu, den Mangel an Eigenliebe wettzumachen. Durch seine Augen gesehen werden sie schön, liebenswert, gescheit, sinnlich, stark usw.

Nach einer Trennung ist es dann oft so, als stürbe «ein Teil von mir». Nämlich all das, was der Partner «in mir» zum Leben erweckt hat, und all das, was er «für mich» gelebt hat. In gewissem Sinn trauern viele Neu-Singles also sich selbst nach. Darum ist jetzt Entwirrung angesagt, eine ganz klare Abgrenzung zwischen Ich und Du, zwischen Wunschbild und Wirklichkeit. Es geht darum, das zurückzunehmen, was einem selbst gehört, und den Ex-Partner mit dem ziehen zu lassen, was ihm gehört.

Sich um sich selber kümmern

Als Faustregel gilt: «Das, was ich am meisten vermisse, ist das, was ich in mir am meisten vernachlässige.» Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich darum zu kümmern. Also sich selbst Geborgenheit, Wärme, Liebe und Anerkennung schenken. Selbst stark, wild, schwach, gefühlvoll sein. Singlesein ist eine hervorragende Gelegenheit, sich selbst näher zu kommen.

Je besser sich die Beziehung zur eigenen Person gestaltet, desto weniger muss einem Wunschbild nachgetrauert werden. Denn es lebt «in mir selbst».

Der Realitäts-Check