Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

11.9.2003 7

Durch die schwarze Brille

Pessimisten wissen schon im Voraus, dass etwas schief laufen wird. Dagegen hilft ein neues Denkmuster.

«Siehst du, es ist schief gegangen! Hatte ich doch Recht!» So ruft der Pessimist. Er wird im Gegensatz zum Optimisten nicht vom Unheil überrascht, denn er ist darauf gefasst. Ist Pessimismus also die bessere Überlebensstrategie? Nein: Wer sich aufs Schlechte ausrichtet, wird zum Schlechten hingezogen. Wenn jemand etwa mit der Einstellung «Ich werde durchfallen» an eine Prüfung geht, fällt er auch eher durch. Denn ganz unbewusst will er durchfallen.

Warum? Erstens, weil er dann Recht hätte. Und das tut einfach gut, gerade wenn man, wie die meisten Pessimisten, unter einem tiefen Selbstwertgefühl leidet. Zweitens steckt dahinter der Gedanke «Mir darf es nicht gut gehen». Der Pessimist hat oft starke Schuldgefühle und wartet insgeheim darauf, dass das Leben ihn bestrafen wird. Er will nicht über das hinauswachsen, was er meint, verdient zu haben. Sein Pessimismus hält ihn klein.

In der Seele ein Perfektionist

Was schief geht, läuft nicht so, wie es sollte. Bezüglich dieses «sollte» hat der Pessimist hohe Massstäbe. Im Prinzip ist er ein Perfektionist, für den nur das Beste gut genug ist; alles andere ist schlecht. Klar, dass aus dieser Sicht dauernd alles schief geht und dass er sich als Versager und die Welt als schlechten Ort sieht.

Der Optimist hat eine weniger verkrampfte Haltung zu dem, was sein sollte. Wenn er eine Prüfung nicht besteht, sagt er sich «War halb so schlimm, ich machs noch mal». Er ist zwar nicht auf das Unheil gefasst, für ihn trifft es aber auch viel seltener ein, weil er es meist gar nicht als Unheil ansieht. Hinter seinem «Es wird schon gut gehen» verbirgt sich ein «Alles ist gut». Denn er sieht jede Lebenslage als eine Erfahrung, aus der er dazulernen kann.

Angenommen, der Pessimist merkt, was er sich antut. «Wieso bestrafe ich mich eigentlich?», fragt er sich und: «Wieso darf ich nicht glücklich und erfolgreich sein? Wieso bin ich nicht gut genug?» Die Antworten findet er wahrscheinlich in längst verjährten Kindheitserfahrungen. Was er damals lernte, hat mit ihm heute kaum noch etwas zu tun. Wer das erkennt, ruft irgendwann: «Mir reichts! Ich habe Besseres verdient!»

Recht so! Doch sich den Pessimismus abzutrainieren braucht seine Zeit, man hat ihn sich ja auch über Jahrzehnte antrainiert. Die Zauberformel «Es wird schief gehen» muss ganz bewusst durch eine neue ersetzt werden: «Ich mach das Beste draus», sagt sich der Ex-Pessimist jedes Mal, wenn er befürchtet, dass die Dinge schief gehen werden.

Lösungsorientiert denken

Mit anderen Worten: Er gewöhnt sich an, lösungsorientiert zu denken. Anstatt sich etwa vor der Prüfung in schrillen Farben auszumalen, wie er zum Gespött aller werden wird, überlegt er sich einen Aktionsplan für den Fall, dass er die Prüfung nicht besteht. Zu jeder düsteren Vorahnung denkt er sich derartige Bewältigungsstrategien aus.

Damit stellt er seinem Pessimismus ein Bein: Er rutscht aus der Rolle des Opfers in die eines Gestalters eines Lebens, in dem nichts schief gehen kann, weil alles erlaubt ist – auch Misserfolge und unschöne Situationen. Er wird aus jeder Situation das Beste machen. Indem er sein Bestes gibt. Sein eigenes, persönliches Bestes, das seine Grenzen und die seiner Lebensumstände berücksichtigt. Dieses Beste ist immer gut genug.

So werden Sie zum Optimisten