Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie
21.8.2003 4
Oft haben wir Angst, weinn eine Unterhaltung ins Stocken gerät. Doch Schweigen gehört zu einem guten Gespräch.
Ein Mann und eine Frau sitzen an einem Tisch und scheigen. Am Nachbartisch sitzen ein Mann und ein Frau und unterhalten sich angeregt. Wer hat sich wohl mehr zu sagen? Die Gesprächigen? Vielleicht. vielleicht aber auch nicht. Angenommen, sie unterhalten sich über das Wetter, den neusten Kinohit, die Macken ihres Chefs, die Marioösische Küche und das Interieur des Restaurants. Am schweigsamen Tisch räuspert sich der Mann nach längerer Pause und gesteht der Frau seine Liebe.
Die einen reden zwar mehr, bei den anderen findet aber ein intensiverer Austausch statt. Nichts gegen Smalltalk. Manchmal aber hält er Menschen davon ab, wirklich miteinander zu kommunizieren. Schweigen gehört zu einem guten Gespräch. Um Gesagtes zu verdauen, Gedanken zu finden, einander wirklich wahrzunehmen. Trotzdem fürchten viele Menschen das Schweigen. Manche sind wahre Künstler darin, Stillemit Worten zu füllen.
Schlechte Erfahrungen
Wahrscheinlich machten sie schon als Kinder schlechte Erfahrungen mit dem Schweigen. Vielleicht drückten sich die Eheprobleme der Eltern in der Stille am Mittagstisch aus. Oder das Schweigen war eine Methode der Bestrafung. Oder es bedeutete die Ruhe vor dem Sturm. Vielleicht bekamen sie auch nur dank ihrem Wortwitz Anerkennung und Aufmerksamkeit und mussten ihre Eltern unterhalten. Oder sie mit Worten davon ablenken, sie zu bestrafen.
Aufgrund solcher Erfahrungen verbinden viele mit dem Schweigen nichts Gutes: Sie haben Angst davor, als dumm und langweilig zu erscheinen, wenn sie «nichts zu sagen haben». Sie haben Angst vor dem Unheil, das passieren könnte, wenn es nicht durch Worte abgewendet würde. Wenn sie angeschwiegen werden, meinen sie, dass der andere schweigt, weil er schlecht über sie denkt und ihnen nur Schlechtes mitteilen würde, wenn er nicht schwiege. Sie fühlen sich unsicher, wenn geschwiegen wird, weil sie nicht wissen, was Sache ist, und weil sie automatisch annehmen, dass etwas Ungutes abläuft.
Schweigen zulassen ist mutig
Das ist nur dann der Fall, wenn wirklich ein Konflikt herrscht. Im Schweigen verbirgt sich nichts Böses. Nur die Wahrheit. Schweigen hat was Beängstigendes, denn dann kommt an die Oberfläche, was sich im Geplauder verbergen lässt: ehrliche Gedanken, echte Gefühle. Vielleicht haben di ezwei erwähnten Gesprächigen ja Angst vor dem heimlichen Knistern, das zwischen ihnen herrscht, und lenken sich mit Worten davon ab. Die Angst vor ihren Gefühlen hält sie im Smalltalk gefangen. Wer das Schweigen zulässt, beweist den Mut zu echter Kommunikation.
Ein kleines Schweigetraining ist daher allen Plappermäulern zu empfehlen. Anstatt drauflos zu reden, heisst es, auf die Lippen zu beissen und auszuharren. Das Gesagt im Schweigen stehen und nachwirken lassen. Die Gefühle zulassen, die kommen, auch wenn sie unangenehm sind. Und nach einer halben Ewigkeit beginnt das Gegenüber plötzlich zu reden: Wenn die Gesprächigen schweigen, kommen die Schweigsamen zu Wort. Sie sprechen nicht, wenn man sie dazu auffordert, sondern, wenn man ihnen die Zeit dazu lässt. Die interessantesten Sachen werden oft nach einer Schweigeminute gesagt. Man muss sie nur zulassen.