Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

6.3.2003 0

Erst denken, dann reden

Gerade bei Beziehungskrisen kommt es auf die richtige Gesprächsstrategie an. Drei simple Fragen helfen dabei.

Wer dem Partner ein Anliegen oder einen Frust mitteilen will, stösst oft auf Granit. Nicht einmal die richtige Wortwahl und der richtige Tonfall sind Garanten für ein fruchtbares Gespräch. Da ist eine Frau etwa sauer, dass ihr Mann jeden Abend weg ist. Ein wütendes «Nie hast du Zeit für mich!» führt ganz sicher zum Krach, aber auch ein säuselndes «Liebling, es wäre so schön, wenn du mehr Zeit für mich hättest» ist nicht immer von Erfolg gekrönt.

Es geht eben nicht nur darum, was man sagt und wie man es sagt. Entscheidend ist auch wann, wieso und an welcher Adresse etwas deponiert wird. Anders ausgedrückt: Das Anliegen muss den «Wem/ Wann/Wieso»-Test bestehen.

Zuallererst stellt sich die Frage nach dem «Wem»: Kann einem die Person, an die man sich wenden will, das Gewünschte überhaupt geben? Oft ist das gar nicht der Fall.

Andere Lösungen finden

Der oben erwähnte Ehemann zum Beispiel macht vielleicht jeden Abend Überstunden, damit die Familienferien bezahlbar werden. In diesem Fall ist er nicht der richtige Adressat für das Anliegen seiner Frau. Sie sollte für die Gestaltung ihrer Abende eine andere Lösung finden. Das ist natürlich mühsam – und einfacher, den Partner für die schlechte Stimmung verantwortlich zu machen und die eigene Unzufriedenheit an ihm auszulassen. Schon weil er so schön nah und als Frustventil verfügbar ist. Die «Wem»-Frage schützt vor genau dieser Falle.

Den richtigen Moment wählen

Angenommen jedoch, der Partner hat keinen guten Grund dafür, Abend für Abend weg zu sein. Das Anliegen hat die «Wem»-Hürde also genommen.

Es folgt die «Wann»-Frage: «Wann spreche ich? Verträgt das Beziehungsklima zurzeit mein Anliegen?» Wenn es gerade kriselt, empfiehlt es sich, nur Dinge anzusprechen, die mit dem Krisenherd in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ist der Ehemann beispielsweise, falls er mal zu Hause ist, immer gereizt, dann sollte die Frau ihn behutsam auf seine Stimmung ansprechen und nicht etwa darauf, dass er so selten da ist.

Die nächste Abklärungsfrage gilt dem «Wieso»: «Wieso sage ich etwas? Wieso habe ich überhaupt das Recht dazu?» Denn: Wer etwas vom Partner fordert, muss auch bereit sein, etwas zu geben. Der Ehemann ist vielleicht darum so selten zu Hause, weil es ihn frustriert, dass seine Partnerin ihm nur wenig körperliche Zuwendung gibt und er eine andere Vorstellung von Zweisamkeit hat. In diesem Fall wäre es sinnvoll, dass sie nicht nur ihre, sondern auch seine Wünsche zur Kenntnis nimmt.

Zum Schluss handeln

Wenn man spürt, dass der Selbstrespekt auf dem Spiel steht und dass Nichtssagen die Beziehung auf die Länge verschlechtert, ist der «Wem/ Wann/Wieso»-Test bestanden. In diesem Fall ist man geradezu verpflichtet, den Mund aufzumachen.

Letztlich hilft er einem dabei, seine Argumente und Wünsche selbstsicher und überzeugend zu vertreten, und erhöht die Chance, beim Partner auf offene Ohren zu stossen. Ausserdem setzen die drei Fragen eine spannende kreative, gedankliche Auseinandersetzung mit sich und dem Partner in Gang. Auch wenn es nach wie vor Momente gibt, in denen Schweigen Gold ist.

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