Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

30.1.2003

Wer fragt, gewinnt

Wer seine Ideen durchsetzen will, muss von sich aus auf andere zugehen. Dabei hilft die richtige Art zu verhandeln.

Zu schön, wenn Menschen die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen immer erkennen und angemessen auf sie eingehen würden. Das tun sie aber nicht. Vielfach scheinen sie sie geradezu absichtlich zu übersehen. Da hat etwa Kurt seiner Mitarbeiterin Gaby vor Jahren eine Weiterbildung versprochen, sie dann aber nie mehr erwähnt. Und Gaby fragt sich: Ist er mit meiner Arbeit nicht zufrieden? Hat er etwas gegen mich?

Niemals persönlich nehmen

Nein. Wahrscheinlich hat Kurt tausend andere Dinge im Kopf. Und da die Weiterbildung kostet, verdrängt er sie ganz einfach. Das Falscheste, was Gaby machen kann, ist, die Sache persönlich zu nehmen. Das ist eine Falle, in die viele Menschen aus Unsicherheit tappen: Sie sehen sich als Ursache am Verhalten der anderen. Dabei widerspiegelt dieses viel mehr deren Gleichgültigkeit. Was sie nicht zu schlechteren Menschen macht. Sie sind sich einfach selbst der beste Freund.

Wenn Gaby zu ihrem Recht kommen möchte, muss sie sich also selbst darum kümmern; sie muss aktiv für sich einstehen. Viele Menschen trauen sich das nicht, denn sie stecken in ihrer Unsicherheitsfalle und gehen darum von einem Nein aus. Doch wer ein Nein erwartet, bekommt auch eins. Erfolg hat nur, wer ein Ja erwartet, oder besser, wer sich zum Ziel macht, mit seinem Gegenüber ein Ja zu erarbeiten. Das Gegenüber ist nicht Feind, sondern Verhandlungspartner.

In sachlichem Ton reden

In ihrer Verhandlung mit Kurt bleibt Gaby von Vorteil sachlich und freundlich und macht ihm keine Vorwürfe. Ohne zu werten, stellt sie ihm die Situation dar und erklärt, dass sie sich eine Weiterbildung wünscht. Anstatt sich auf das Negative – ihre Unzufriedenheit – zu konzentrieren, streicht sie das Positive hervor, nämlich den Gewinn, der für Kurt und seine Firma herausspringt, wenn er die Weiterbildung zahlt. Denn sie weiss: Jeder Mensch macht gern etwas, wenn er davon profitiert.

Vielleicht reicht schon die Äusserung ihres Wunsches, und Gaby ist am Ziel; Kurt hat einfach gewartet, bis sie fragt. Vielleicht kontert er aber auch mit Gegenargumenten. Jetzt muss Gaby den schwierigen Spagat vollbringen, sowohl beharrlich zu bleiben als auch flexibel zu sein. Einerseits darf sie sich in ihrem Wunsch nicht durch Gegenargumente beirren lassen, andererseits muss sie Kurt auch zuhören und entgegenkommen.

Mit Respekt begegnen

Sie muss nicht nur sich selbst, sondern auch Kurt gegenüber respektvoll und fair sein, ihm klarmachen, dass sie ihn als Person ernst nimmt. Das zeigt sie am besten, wenn sie ihn um Mithilfe in der Situation fragt: «Hast du einen Vorschlag?» Dieser Satz zieht Kurt aus der Nein-Haltung in ein lösungsorientiertes Denken.

So kann Gaby mit Kurt zusammen eine Lösung erarbeiten, bei der für beide ein Gewinn herausschaut und unter der die Beziehung nicht leidet. Und falls Kurt einen wirklich triftigen Grund hat, die Weiterbildung nicht zu zahlen, sollte Gaby das als Tatsache hinnehmen und das Interpretieren bleiben lassen.

Ein Nein ist keine Tragödie, sondern das Risiko, das sie auf sich nimmt, wenn sie wagt. Was hat sie in diesem Falle verloren? Nichts. Aber wenn sie nicht fragt, verbaut sie sich die Chance zu einem Ja. Nur wer fragt, gewinnt.

So kommen sie weiter