Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

14.11.2002

Jetzt ist sie am Reden

Frauen haben oft Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen. «Männlich» formulierte Sätze wirken stärker.

Frauen sind kommunikativer als Männer. Trotzdem fällt es ihnen oft schwer, sich mit Worten gegenüber Männern durchzusetzen, vor allem in der Geschäftswelt. Man(n) nimmt ihre Beiträge nicht ernst, spielt sie herunter – falls sie überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Der Grund dazu ist, dass Frauen sich anders ausdrücken als Männer, weil sie eine andere Einstellung zum Umgang mit ihren Mitmenschen haben.

Harmonie ist Frauen wichtiger

Die amerikanische Linguistin Deborah Tannen beschreibt das so: «Frauen leben eher in einer Beziehungswelt, Männer eher in einer Statuswelt.» In der Beziehungswelt wird Harmonie gross geschrieben. Der Anschein von Überlegenheit wird gemieden. Frauen wollen nicht übertrumpfen, sondern Kompromisse aushandeln. In der Statuswelt geht es weniger verbindlich zu. Man(n) ist nicht aufeinander angewiesen. Rangordnung ist von grosser Bedeutung. Es gibt klare Gewinner und Verlierer.

Diese Unterschiede wirken sich auf die Sprache aus. Die «weibliche» Sprache ist behutsam: «Meinen Sie, Sie könnten das bis morgen fertig machen? Das würde mich sehr freuen», heisst es da etwa. Dagegen klingt die «männliche» Sprache barscher: «Machen Sie das bitte bis morgen fertig.»

Sicher, die «weibliche» Version ist freundlicher. Aber sie klingt auch weniger souverän. Und sie lässt Raum für Diskussionen. Denn Frauen bringen sich und ihre Gefühle ein. Das ist nicht angebracht, wenn es um sachliche Themen oder Probleme geht. Der Satz «Ich befürchte, dass Sie bei diesem Tempo nicht fertig werden» erscheint als Meinung, der Satz «Bei diesem Tempo werden Sie nicht fertig» als Tatsache. Ansichten laden eher zu Diskussionen ein als Tatsachen.

Eher angreifbar

Wer sich persönlich ausdrückt, kann zudem als Person angegriffen werden. Mit dem Satz «Ich schaffe die Arbeit nicht» sagt die Mitarbeiterin aus, dass das Problem bei ihr liegt. Wenn sie aber sagt: «Die Arbeit ist nicht zu bewältigen», suggeriert sie, dass das Problem bei der Arbeit liegt.

Ein weiteres Merkmal der «weiblichen» Sprache ist, dass sich die Sprecherin oft herabwürdigt. Sie will in ihrem Streben nach Harmonie nicht überheblich klingen. Mit Floskeln wie «Ich bin auf dem Gebiet ja keine Expertin, aber...» oder «Das klingt jetzt vielleicht dumm, aber...» zieht sie den Kopf ein. Der Angesprochene erlebt es so, dass sie nie und nimmer vorhat, ihm das Terrain streitig zu machen. In der Beziehungswelt ist diese Ausdrucksweise angebracht, nicht aber in der Statuswelt. Die Sprecherin wird weniger respektiert.

Anders formulieren hilft

An fast allen von Männern dominierten Arbeitsorten herrscht das Klima der Statuswelt. Es lohnt sich deshalb für Menschen, die eher in der Beziehungswelt zu Hause sind, sich sprachlich ein bisschen anzupassen. Das gilt natürlich auch für den einen oder anderen Mann. Die Faustregel lautet: Die eigene Person heraushalten, mit den Gefühlsaussagen geizen und Selbstbewusstsein vorspielen. Man muss in einer Welt nicht zu Hause sein, um mit ihren Waffen kämpfen zu können.

So werden Sie ernst genommen