Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

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Hirntraining gegen die Niedergeschlagenheit

Wie den Körper können Sie auch das Gehirn pflegen. Jeder Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied, unabhängig von den äusseren Umständen.

Hilde starrt aus dem Fenster. Es hört nicht auf zu regnen. Sie seufzt: dieses nasse, kalte Grau. Regen deprimiert sie so. Sie hat Lust auf gar nichts, möchte sich am liebsten ins Bett verkriechen und in einen „Regenschlaf“ versinken. Da bewundert sie ihre Freundin Rita: Die liebt den Regen – sie entwickelt dann immer eine Riesenaktivität: wütet im Haushalt, geht auf lange Spatziergänge. Klar sei es nass, findet sie, aber es gäbe ja schliesslich Schirme.

Was unterscheidet Hilde von Rita? Bei beiden regnet es gleich stark, aber warum sinkt nur Hilde in ein Tief? Ist Rita einfach ein Glückskind? Nein. Wie wir die äusseren Umstände erleben, können wir selbst beeinflussen: Wir können unser Gehirn lehren, die Dinge so zu sehen, wie wir wollen. Hilde begegnet dem Ereignis „Es regnet“ mit dem Gefühl „Ich bin deprimiert“, und ihr Gehirn merkt sich, dass die beiden zusammengehören. Mit jedem Regenguss stellt sich das traurige Gefühl schneller ein, denn das Gehirn prägt sich die Verbindung Regen-deprimiert immer besser ein.

Mit Beschäftigung gegen trübe Gedanken

Und dieser Vorgang kann rückgängig gemacht werden. Die Zauberworte dabei heissen „Beschäftigung“ und „Umdenken“. Beschäftigung ist das besten Mittel gegen Niedergeschlagenheit: Sie hält das Gehirn fit und fördert das Wachstum der Hirnzellen. Das beschäftigte Gehirn schüttet mehr Dopamin aus – ein Stoff, der macht, dass die Stimmung steigt. Ausserdem verliert man sich weniger in negativen Gedanken – das Gehirn hat schlicht besseres zu tun als zu grübeln.

Schon mit leichter Aktivität könnte Hilde ihr Tief also überwinden: Sie könnte einen Spatziergang machen, ein Rezept ausprobieren oder eine Schublade aufräumen. Auch Sport wirkt Wunder: Bewegung fördert das Wachstum der Hirnzellen und führt zur Aussschüttung der Stimmungskanonen Endorphin und Serotonin.

Bewusst Umdenken hilft gegen alte Denkgewohnheiten

Daneben sollte Hilde ihr Gehirn lehren, umzudenken. Sie sollte es mit neuer, positiver Information zum Wort „Regen“ füttern, also bewusst nach dem Guten und Schönen im Regen suchen, und dies am besten in einem Tagebuch festhalten. Allen negativen Assoziationen mit dem Wort „Regen“ sollte sie positive gegenüberstellen. Neben „Es ist grau und kalt“ oder „Ich werde nass“ stünden also Sätze wie „Die Regentropfen auf den Blättern sind wunderschön“ oder „In meiner Wohnung ist es um so gemütlicher“. Das Gehirn merkt sich diese Sätze und beginnt allmählich, positivere Gefühle mit dem Wort „Regen“ zu verbinden.

Natürlich geschieht das nicht von einem Tag auf den anderen: „Wiederholung und Gewohnheit sind unerlässlich, um das Gehirn neu zu verdrahten. Sie setzen die Bereitschaft zu etwas Mühe voraus.“ So der Wissenschaftsjournalist und Autor Stefan Klein. Aber die Mühe lohnt sich. Und da das Gehirn – bis ins hohe alter – ein so formbares, lernfähiges Organ ist, ist niemand seinen Stimmungen tatenlos ausgesetzt, sondern viel mehr seines eigenen Glückes Schmied – unabhängig von den äusseren Umständen.

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