Annette Bischof-Campbell: Ratgeber Psychologie

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Ich kann mich nicht entscheiden!

Hinter Entscheidungsangst versteckt sich die Angst vor eigenverantwortlichem Handeln. Besser ist, wenn Sie bewusst für oder gegen eine Handlung entscheiden, denn Sie gewinnen dabei immer – und wenns auch nur Erfahrung ist.

Schon immer hatte Werner Mühe damit, sich zu entscheiden. Aus Entscheidungsnot wählte er den Beruf, zu dem ihm sein Lehrer drängte. Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, schob er auf – bis ein «Unfall» passierte und plötzlich ein Kind da war. Seit zwölf Jahren ist er Angestellter in der gleichen Firma – der Job ist zwar langweilig, aber gut gezahlt, und Werner sieht es als seine Pflicht als Familienvater, einen angemessenen Lohn heimzubringen. Manchmal überfällt ihn ein Gefühl der Unzufriedenheit, da fragt er sich: «War es das, was ich wollte?»

Angst vor der Verantwortung

Wer kennt das nicht: Da rutscht man, wie von aussen gesteuert, in Situationen hinein, in denen man dann irgendwie nicht so ganz glücklich ist. Der Grund dazu ist die urmenschliche Angst vor Entscheidungen – genau genommen die Angst vor den Taten, die den Entscheidungen folgen: Die Angst, das Falsche zu tun. Die Angst, eine Möglichkeit zu verpassen. Die Angst, ins Unbekannte vorzustossen. Also schiebt man Entscheidungen auf. Oder man vertraut auf die Entscheidungsfähigkeit von Freunden, Bekannten, Vorgesetzten, Fachpersonen ... Oder man sieht sich als ein Gefangener seiner Lebensumstände, dem es nicht zusteht, eigene Entscheide zu fällen.

Kurz, man übergibt die Verantwortung für das eigene Handeln äusseren Kräften. Und wenns schief läuft, sind diese Schuld. Oder? So weit verbreitet diese Ansicht ist, so falsch ist sie: Wir sind keine Opfer unserer Lebensumstände, sondern Täter. Alles, was wir tun, basiert auf unseren eigenen Entscheiden – auch wenn uns das oft nicht bewusst ist. Werner etwa hat sich entschieden, den Berufsvorschlag seines Lehrers anzunehmen. Er sich entschieden, die Frage der Familiengründung dem biologischen Zufall zu überlassen. Er hat sich entschieden, seinem Ideal eines Familienvaters gerecht zu werden.

Es gibt keine falschen Entscheide

Der Mensch entscheidet sich immer. Vor jeder Handlung. Täglich zig mal. «Auch wenn Sie sich nicht entschieden haben, haben Sie sich entschieden: für die Unentschiedenheit», so der deutsche Autor und Managementberater Reinhard K. Sprenger. Die Angst vor Entscheidungen macht vor diesem Hintergrund kaum noch Sinn – sie hindert uns höchstens daran, unsere Entscheidungen zu erkennen und davon zu profitieren, denn nur wer sich seiner Entscheidungen bewusst ist, kann auch daraus lernen: Jeder Entscheid, alles, was wir tun, ist ein Schritt auf dem persönlichen Lebensweg – und jeder Schritt bringt neue Einsicht über die Richtung, in die es weiter gehen soll.

Freilich, dass da auch ordentlich gestolpert werden darf, denn aus Fehlern lernt man schliesslich. Es gibt also keine falschen Entscheide – wer sich entscheidet, gewinnt immer – wenn er dazu steht. Verlieren tut nur, wer einen Schritt bereut oder andere dafür verantwortlich macht, denn er lernt nichts dazu. Und am wenigsten profitiert, wer unentschlossen stehen bleibt: Leben ist in diesem Sinne wie Klavierspielen – ein Klavierstück lernt man ja auch nicht, in dem man neben dem Klavier steht und sich überlegt, wie’s wohl richtig gehen könnte.

Tipps für Entscheidungsunwillige